Alte Grotegaster Bauernfamilien

Gewiss hat  jeder Bauernhof der früheren Gemeinde seine Geschichte aufzuweisen, die weit in frühere Jahrhunderte zurückreicht. Aus der Fülle des vorliegenden Materials sollen nun Nachrichten über zwei Familien herausgezogen werden, die damit stellvertretend in den Vordergrund gerückt werden, ohne die Chroniken anderer Familien nebensächlich erscheinen zu lassen. Erwähnenswert bleibt gewiss noch die bekannte Grotegaster Familie Groeneveld, die aber eine umfangreiche Familiengeschichte für ihren gesamten Bereich in mehreren Bänden besitzt. Der Verfasser glaubte daher auf die Wiedergabe von Auszügen daraus verzichten zu können, insbesondere, weil damit wenig Neues geboten worden wäre. Es mag lediglich an dieser Stelle erwähnenswert bleiben, dass zahlreiche Glieder der Familie Groeneveld in der alten und neueren Landesgeschichte besonders hervorgetreten sind, wobei noch auf die starke verwandtschaftliche Verbindung zu anderen angesehenen Familien in und außerhalb Ostfrieslands zu verweisen wäre.

Wenden wir uns an dieser Stelle zunächst einmal einer anderen alteingesessenen Grotegaster Familie zu, deren in frühester Zeit auftretende Ahnen ebenfalls zu den Vorfahren der Groenevelds gehört haben, nämlich der Sippe Feenders.

Stammvater dieser Familie ist der etwa 1560 in Coldemüntje geborene und um 1625 verstorbene Landwirt Willm Engelkes. Sein Vater dürfte der um 1560 in Coldemüntje lebende Engelke gewesen sein. Ein altes Viehregister aus der Zeit um 1598 erwähnt den Willem (Engelken) zu Koldemo(niken). Er war Besitzer des größten Viehbestandes auf einem Bauernhof im Kirchspiel Grotegaste, der sich aus 3 Pferden, 27 Milchkühen und 9 Kopf Jungvieh zusammensetzte, wozu gewiss noch eine Anzahl Kälber zu rechnen wäre.

Als Nachkomme von Willm Engelkes kommt zweifellos der Hindrik Willems infrage, der 1604 geboren wurde, mit einer 1611 geborenen Moederke Haykes verheiratet war und 1689 gestorben ist. Moederke war Willm bereits 1687 im Tod vorausgegangen. Hindrik hatte einen Bruder Harbert Willms, geboren um 1600, gestorben am 04.12.1676.

Als Harberts Nachkomme ist Willem Harberts anzusehen, von dem aber die Geburts- und Sterbedaten fehlen. Im Kopfschatzregister vom Jahre 1719 lesen wir: (Übersetzung aus dem Holländischen) „Harbert Willms, Fähnrich (des Landesaufgebots) Eigentümer, seine Hausfrau, 2 Knechte, 1 Magd. Der Platz ist 54 Diemat groß:“ Im Jahre 1749 wird in einem anderen Register über ihn gesagt: „Fendrich Harbert Willems, Witwer mit 4 Kindern, 2 Dienstboten. 20 Grasen Weideland, 90 Grasen Meedland. Noch ein Platz, Haus ledig, Land (wird) gebraucht. 18 Grasen Weide, 29 ½ Grasen Meedland.

Insgesamt besaß Harbert Willms also 158 Grasen Land. Aus alten Archivakten und Grundbuchunterlagen erfahren wir auch nähere Einzelheiten über den großen Besitz und die Familie. Der zweite Platz war nämlich im April 1738 von Garrelt Hensmann angekauft worden. Harbert bewirtschaftete den Gesamtbesitz mit seinen Söhnen. Weitere Einzelheiten werden uns noch im Zuge der 1761 stattgefundenen Erbauseinandersetzung zwischen Harberts Kindern mitgeteilt, die nach dessen 1760 erfolgtem Ableben notwendig geworden war. Es waren damals vier Kinder vorhanden und zwar:

1.   Landwirt Willem Harberts, geb. um 1708

2.   Landwirt Ontje Harberts, geb. um 1711

3.   Landwirt Harm Harbers, geb. 1721

4.   Tochter Aaltje Harbers, geb. ? gest.?

Diese war verheiratet mit dem Pastoren ter Veere oder Fehr.

Zur Erbmasse gehörten damals die beiden schon vorerwähnten Bauernplätze in Grotegaste. Den Stammhof erhielt der Sohn Harm Harberts für 12000 Gulden. Der zweite, 1738 vom Vater angekaufte Platz, wurde den beiden Brüdern Willem und Ontje Harberts zugesprochen. Dafür hatten diese 11000 Gulden in die Erbmasse einzuzahlen. Was noch weiter vereinbart wurde, soll mit nachfolgender auszugsweisen Wiedergabe des Vertrages gesagt werden:                                                                    „Einiges Kopfzerbrechen bereitete die Verteilung des häuslichen und landwirtschaftlichen Inventars, des „In-Boedels“. Mit Befriedigung lesen wir, dass man sich „in Liebe eins geworden“ war. Willem und Ontje hatten ihren Vater – wohl als Haussöhne – große Dienste geleistet und wesentlich zur Erhaltung und Verbesserung des elterlichen Vermögens beigetragen. Ihnen standen Brautschatzgelder, wohl richtiger Erb-Vorauszahlungen von je tausend Gulden zu. In Anrechnung auf dieses Guthaben wurde ihnen das häusliche Eingut mit Möbeln und Gerätschaften überlassen. Von einem Viehbestand wird nichts erwähnt. Vermutlich war dieser bereits früher in den Besitz von Harm Harbers übergegangen. Offenbar hat dieser zunächst den zweiten Herd der Familie in Grotegaste bewirtschaftet, während Ontje und Willem bei ihrem Vater auf dem alten Familiensitz geblieben waren.                   

Auf Grund des Erbvergleichs hätten dann die drei Brüder ihren Wohnsitz wechseln müssen, da Harm und Ontje Harbers nunmehr auf den von ihnen aus der Erbmasse erhaltenen Hof zogen. Aus dieser Erbschaft stand den Geschwistern je ein Viertel zu. In Geld wurde dieser Anteil in jedem Fall auf fünfeinhalbtausen ostfriesische Gulden berechnet, da noch einige Schulden in Abzug kamen. Altje, die Ehefrau des Oldendorper Pastors ter Veer erhielt außer ihrem bereits erhaltenen Brautschatz eine Erbabfindung zugesprochen, die bei der damaligen Kaufkraft des Geldes recht stattlich war.

Welche Bestände an Leinen in jeder Zeit zu einem bäuerlichen Haushalt gehörten, ersieht man aus der Feststellung, dass jeder Erbe dreizehn Bettlaken, zwölf  „Küssenbühren“ und sechs „Koplakens“ erhalten konnte.

Bemerkenswert groß war der Schatz an Gold- und Silbersachen, für die in früheren Jahrhunderten unsere Hausmütter eine besondere Schwäche gehabt haben müssen. Um zu einer gerechten Verteilung zu kommen, einigten sich die Erben, alle Silbersachen zunächst auf die Waage zu legen. Jeder Erbe erhielt dann Gegenstände im Gesamtgewicht von siebenunddreißig Lot (etwa 614 Gramm).

Bei der Verteilung der Goldsachen zeigte man sich großzügiger. Die Frau des Pastoren konnte ein goldenes Schloss mit nach Hause nehmen. Darüber hinaus verehrten ihr die Brüder noch einen wertvollen Ring. Den übrigen Erben verblieben goldene Schnallen, Ringe und „Stifte“.

Im Jahre 1774 errichteten die Gebrüder Willem und Ontje Harbers ein Testament in niederländischer Sprache. Sie vermachten ihren Hof den Kindern „von onsen geliefden broeder Harm Harbers“, die namentlich mit Harbert Willems, Sieben Ontje, Noentje und Gertrud Harms aufgeführt wurden.

Herzlich muss das Verhältnis der beiden Brüder auch zu ihrer Schwester, der Pastorenfrau Aaltje, gewesen sein. Domine ter Veer (Fehr) war inzwischen nach Nüttermoor übergesiedelt. Seine Frau erhielt von dem Grotegaster Hof, beginnend mit dem Todesjahr des letzten der beiden Brüder, eine jährliche lebenslängliche Rente von zweihundert ostfriesischen Gulden und noch ein „gedachtnis-Stük“ im Werte von zweihundert Gulden zugesprochen.

Um den Grotegaster Hof nicht in andere Hände gelangen zu lassen, sollte ihn der Miterbe Harbert Willms (Sohn von Harbert Harbers) für elftausend Gulden übernehmen können.

Acht Zeugen, Folkert Jans Groenevelt, Schulmeister Hinderikus Schetzberg, Lammert Peters, Ontje Ontjes, Lübbert Hinders, Lükas Gerdes, Harm Kampen, und Hemme Vrielings bekräftigten das Testament durch ihre Unterschrift. Als Rechtskundiger wirkte der Notar Brakenhoff aus Leer mit.

Harm Harberts (Harbers) geb. um 1721, gest. 25.01.1796, war seit 1751 mit Swantje Groeneveld (geb. 18.11.1732, gest. 29.09.1797) verheiratet. Aus dieser Ehe ging der Sohn Harbert Willms hervor, der sich Feenders nannte. Harbert wurde 1752 geboren und starb am 11.09.1808. Verheiratet war er seit 1776 mit Engel Heeren Fresemann, die 1837 bei Verwandten in Kirchborgum starb. Harbert Willms, der 1807 sein Testament machte und darin seinen Sohn Heere Fresemann Feenders als Erben bestimmte, hat den Familiennamen Feenders schon vor der französischen Zeit angenommen.

Aus Heere Fresemanns Leben ist folgendes bekannt geworden. Er wurde am 24.12.1784 in Grotegaste geboren und starb am 15.02.1838. Die Grotegaster Liegenschaften übernahm er aus der Erbmasse für 24000 Gulden. Verheiratet war er mit der am 22. August 1784 in Rhaude geborenen Trientje Fokken, die am 01.03.1844 in Leer gestorben ist.

Das sich dieser Vorfahre nach Rhaude verheiratete, hing mit der Pachtung (?) der Rhauder Mühle zusammen, die früher eine Kirchenmühle (Im Besitz der Kirchengemeinde) gewesen ist. Aus der Ehe mit Trientje Fokken gingen 10 Kinder hervor:

1.   Catharina geb.........?

2.   Maike, später Ehefrau von Jann Lühring, Weekeborg

3.   Willm Heeren Feenders, später in Bingumgaste wohnend

4.   Maria, später Ehefrau des Hinrikus Swalve, Haseborg

5.   Ontje Heeren Feenders, geb. ?  gest. ?

Dieser erhielt den Grotegaster Besitz für 24000 Gulden. Verheiratet war er mit Barbarina Krull. Nach dem väterlichen Testament sollte Ontje den Platz aber erst haben, wenn er dem Alkohol entsagte.

6.   Fokke Heyen Feenders, geb. 15.02.1807, in Rhaude, gest. 1871

Dieser erhielt später Sommerlust.

7.   Engel Feenders, verheiratet mit Pastor Tilemann

8.   Johanne, später Ehefrau Untjes Freesemann

9.   Harbert Willms Feenders, später Pastor bei Lingen

10. Sieben Heeren Feenders, Grotegaste

Als zweite bekannte alte Familie erscheint wohl die der „Müntingas“ in der Grotegaster Chronik erwähnenswert. Auch diese hatte im Verlauf von Jahrhunderten enge verwandtschaftliche Verbindungen zu alteingesessenen Bauerngeschlechtern im südlichen Ostfriesland. Der um die heimatliche Geschichtsforschung hochverdiente Pastor Hensmann in Möhlenwarf hat zur Geschichte der Familie Müntinga einen Abriss in der Deichwartnummer 13 zur Tageszeitung „Rheiderland“ vom 01.04.1967 gebracht, in der auch der Coldemüntjer Zweig angesprochen wird. Der Verfasser möchte dazu noch einige Ergänzungen aus seinen Ermittlungen beitragen.

Als Stammvater wird der nach Hensmann in den Jahren 1618/28 als „Erbgesessener“ in Hilkenborg nachweisbare  Lüpke Sibes, verheiratet mit einer Frau Eyke, angesehen. Offenbar ist dieser identisch mit dem im ältesten bekannten Overldinger Viehregister um 1598 aufgeführten Bauern zu Hilkenborg gleichen Namens. Der damalige Lüpke Sibes war Besitzer eines Viehbestandes von drei Pferden, vierzehn Milchkühen und mehreren Stück Jungvieh. Er muss somit schon eine für jene Zeitverhältnisse umfangreiche Milch- und Weidewirtschaft betrieben haben.

Nachkommen dieses Hilkenborger Bauern waren einmal der 1656 in einer Vertragssache mit den Landwirten zu Coldemüntje auftretende Sibe Lüpkens, uns zwar wegen der Nutzung der Coldemüntjer Höfe sowie der Mitte des 17. Jahrhunderts geborene Enkel Sibens, der bis 1703 in Coldemüntje auch nachweisbar ist. Dieser hatte wieder einen etwa 1686 geborenen Sohn Jan Sibens, verheiratet mit Tetje Luppen.

Auf dieses Ehepaar geht die Stammfolge der Coldemüntjer Linie der Müntingas zurück (nach Hensmann), und zwar den 1726 zu Coldam geborene Jan Jans (Müntinga), der am 20.08.1790 verstarb und seit 1753 mit Grietje Jans Kromminga (nicht Krumminga) verheiratet war. Zwei Söhne dieses Ehepaares sollen hier genannt werden.

1.)  Jan Jans Müntinga

geb. 03.09.1759, gest. 13.11.1823. Er verheiratete sich am 26.04.1786 mit Grietje Everts Groeneveld aus Hilkenborg

2.)  Menno Jans Müntinga

geb. 23.11.1761 zu Coldemüntje, gest. 14.01.1854 zu Weener. Dieser heiratete 1791 in Grotegaste Aaltje Groeneveld. Menno Jans wird uns als ein sehr wohlhabender Landwirt geschildert, der in Grotegaste auch das Amt eines Kirchenvogts (Kirchenvorsteher) bekleidet.

Ein Sohn von Menno Jans M. war der am 15.12.1791 geborene Jan Jans Müntinga, seit 1822 verheiratet mit Titta Hitjer. Er verstarb am 17.01.1860 zu Mark. Aus der Ehe der Vorgenannten ging u.a. Menne Müntinga hervor, geb. am 25.08.1809 zu Coldam und gestorben am 24.06.1882. Verheiratet war Menne M. seit 1837 mit Margarete Groeneveld aus Coldemüntje. Die Müntinga haben also mit mehreren Generationen in der Familie Groeneveld eingeheiratet.

Menne Müntinga hatte einen am 06.01.1846 geborenen Sohn Eberhard Melchior Müntinga, der am 01.02.1937 verstorben ist und somit das biblische Alter von 91 Jahren erreichte. Eberhard Müntinga ist als Deichrichter in der Öffentlichkeit bekannt geworden. Er muss ein hervorragender Sachwalter der ihm übertragenen Aufgaben gewesen sein. Von einem Besuch bei ihm berichtete einmal der Vater des Verfassers und zwar über den bemerkenswerten Eindruck, den der erfahrene Deichrichter auf ihn gemacht hatte. Dieser gehörte jedenfalls zum Kreis jener Persönlichkeiten, die sich in ihrer Lebensarbeit verdienstvoll für die Allgemeingesetzt haben. Mit Eberhard Müntinga erlosch (nach Hensmann) die Coldemüntjer Linie. Ihre Namensträger lassen sich zweifellos noch in vielen Schatzungsregistern früherer Jahrhunderte, aber auch in den Kirchenbüchern, verfolgen. Sie alle sind wie bei der Familie der Feenders Träger eines Namens gewesen, der in der heimatlichen Geschichte einen guten Klang gehabt hat.