Die Johanniterkommende Muhde

Über die Geschichte dieses Ordenshausen berichtet ein umfangreiches Urkundenmaterial in Rep. 3 des Niedersächsischen Staatsarchivs Aurich (Große Sammlung von Klosterurkunden).  Die Abteilung Johanniterkommende Mude (Muhde) enthält 21 Einzelnummern und zwar umfassend den Zeitraum von 1408 bis 1561. Weiteres Urkundenmaterial aus der weiter zurückliegenden Zeit wird noch in Friedländers Urkundenbuch gebracht. Um aber Wesen und Bedeutung der Johanniter für unser Gebiet; ihr Ökonomie und Finanzwirtschaft näher zu untersuchen, genägt es nicht nur, das vorerwähnte Material zu analysieren. Viele Vorgänge allgemeiner Art ergeben sich auch aus der Geschichte der benachbarten Johanniterkommenden Landholt, Bokelesch im Oldenburgischen sowie der Kommende Esterwegen im nördlichen Hümmling in der Nähe der ostfriesischen Grenzen. Nur aus der Auswertung aller in diesen Bereich fallenden Dokumente und Urkunden in den Archiven zu Osnabrück und Oldenburg läßt sich ein eindrucksvolles Bild erstellen, wie wir uns auch den täglichen Betrieb in der Muhder Johanniterkommende vorzustellen haben.

 

Für das Kloster Werden lagen im Ausgang des 13. Jahrhunderts die zerstreuten Besitzungen in Friesland doch zu ungünstig, um sie weitab vom Sitz der Abtei verwalten zu lassen oder eine ständige Überwachung durchzuführen. Nach einer Urkunde vom 2. Januar 1282 (1283), gebracht im Ostfr. Urkundenbuch (No. 34), entschloß sich das Kloster Werden zum Verkauf aller seiner Besitzungen in Drenthe und Friesland an das Hochstift Münster. Damit erhielt letzteres auch die Liegenschaften im späteren Kirchspiel Driever übertragen. In den Jahren 1284 / 85 verkauften Bischof und Domkapitel zu Münster die Güter zu Holtgast und Winsum an die Johanniterkommende Steinfurt (Westfalen). Steinfurt muß nun Möglichkeiten erhalten haben, auch alle anderen ehemaligen Besitzungen Werdens aus der Hand des Bischofs von Münster und seines Kapitels zu erwerben. Das hat zur Errichtung weiterer Johanniterkommenden im friesischen Raum, darunter in Hasselt, Muhde, Langholt und Bokelesch, geführt. Kommenden werden in einer größeren Zahl in einer Urkunde - datiert Groningen 8.9.1319 – aufgeführt. Inhaltlich beschäftigt sich dieses Dokument mit dem Verhältnis des Komturs des Johanniterhospitals in (Burg) Steinfurt zu den friesischen Kommenden, darunter auch im Niederstift Münster sowie im heutigen Nordoldenburg. Die dortigen Kommenden strebten eine größere Selbständigkeit an.

 

Als „Lethemuda“ tritt nun Muhde (wir bleiben bei der heutigen Schreibweise Muhde statt Mude) ins Blickfeld der Öffentlichkeit des 14. Jahrhunderts. Wie bei anderen Standorten der neuen Johanniterkommenden fällt auf, daß diese Niederlassungen der Johanniter mit Vorliebe in der Nähe noch schiffbarer Wasserläufe angelegt wurden. Ein Wegesystem in der späteren Vorstellung gab es noch nicht. Von Muhde aus war es möglich, die größeren Orte Ostfrieslands auf dem Wasserweg zu erreichen und auch Verbindungen zu den großen Moorflächen im Osten Overledingens zu finden, um nicht unbedeutende Torfmengen von dort heranschaffen zu lassen. Dieser Brennstoff wurde in dem holzarmen Ostfriesland in großen Mengen benötigt. Ein Kommendebetrieb hat gewiß für den Winter manche Schiffsladung einkaufen müssen. Wann Muhde in den Besitz einer großen, noch um die Mitte des 17. Jahrhunderts erwähnten, Mooraufstreckung in der Mitlinger Mark gekommen ist, läßt sich zeitlich nicht mehr ermitteln.

 

Ihre Blütezeit erreichte die Muhder Kommende im 15. Jahrhundert. Offenbar durch Schenkungen und Ankäufe war ein großer Grundbesitz zusammengekommen. Im Jahre 1439 besaß Muhde bereits ein Vorwerk Halte, dazu später noch Grundbesitz im Kirchspiel Mitling-Mark (Ostfr. UB 508, 760), wobei allerdings nicht klar wird, ob hierauf vielleicht zeitweise die Kommende Jemgum Anspruch hatte.

 

Für das Vorwerk zu Halte erhielt Muhde 1439 Erbstücke der Mewent Autens zu Rhaude vermacht (OUB 508). Weitere Schenkungen erhielt Muhde 1442 (OUB 545), allerdings außerhalb des Overledingerlandes. Um solche letztwillige Verfügungen zu erhalten, scheinen die Muhder Komture doch stets ein wenig aktiv geworden zu sein. Eine Urkunde aus dem Jahre 1465 (OUB 830) läßt vermuten, daß auch die weitere Entfernung von Muhde für die Entgegennahme letztwilliger Verfügungen nie eine Rolle spielte. Grundstücke,die günstiger lagen, wurden eingetauscht. Im Jahre 1467 bestätigte die Gräfin Theda von Ostfriesland den von ihrem Mann, dem Grafen Ulirch von Ostfriesland getätigten Verkauf von vier Grasen Land (Emmekamp) an den Komtur der Kommende. Der Emmenkamp lag in der Nähe Muhdes am Sieltief. Offenbar ist damals die günstige Gelegenheit eines Grunderwerbs in nächster Nähe genutzt worden.

 

Kapitalarmut scheint das Ordenshaus damals noch nicht gekannt zu haben. Gern wurde getauscht und neues Land hinzu erworben. Selbst ein Torfmoor bei Rhaude wurde noch 1516 für vier Emder Gulden von Uffe Folkerts Tochter gekauft. Das Moor lag wegen der möglichen Verbindung auf dem Wasserweg gewiß günstig.

 

Im Anfang des 16. Jahrhunderts hatte die Kommende Muhde zweifellos einen wertvollen Besitz in und außerhalb des Overledingerlandes zu verzeichnen. Nicht der gesamte Besitz wird in Eigenbewirtschaftung gewesen sein, sondern auswärtige Liegenschaften werden Pächter gefunden haben. Die aus Verheuerungen stammenden Gelder dürften keineswegs unbeträchtlich gewesen sein. Sie dienten mit zur Verstärkung der Finanzkraft des Ordenshauses.

 

Aus einer Abschätzung der Kommende Esterwegen aus dem 16. Jahrhundert (Staatsarchiv Osnabrück) sowie Quellen im Staatsarchiv Oldenburg zur Geschichte der Kommende Bokelesch (Bestand 116) sowie Veröffentlichungen in den „Heimatblättern Vechta“ 1935 S. 61 erhalten wir einen genaueren Einblick in die Oekonomie der Landwirtschaftsbetriebe einer Johanniterniederlassung bis zur Reformationszeit. Die Milch- und Viehwirtschaft stand hoch in Kurs. Auch zu Muhde wird man diesem Erwerbszweig besonders Beachtung geschekt haben.

 

Die Kommende Muhde war ebenso wie Jemgum ein sogenanntes Doppelkloster, d.h. für Männer und Frauen, die selbstverständlich getrennte Unterkünfte hatten. Daß weibliche „sorores“ (Schwestern) aufgenommen wurden, wird uns beispielsweise mit einer Urkunde vom 21.5.1471 (Mitling) bestätigt. Urkundlich werden uns auch weibliche Konventualien in Bokelesch jenseits der ostfriesischen Grenze (südöstlich von Potshausen) nachgewiesen. Die weiblichen Insassen waren zweifellos Laienschwestern ebenso wie jene Ordensangehörige, die nicht den höheren Graden zugerechnet werden konnten, zu denen die geweihten Priester gehörten.

 

Eheleute, die ihren Lebensabend in einer Johanniterkommende verleben wollten, wurden gern aufgenommen, wenn sie etwas mitbrachten, vielleicht einen ihnen gehörenden Grundbesitz, der dann den Johannitern verschrieben wurde. Daß sich die bisherigen Eigentümer aber noch den Nießbrauch bis zum Lebensende vorbehielten, darauf gingen die Kommendeoberen auch ein. Man hatte damit ja Zeit. Eines Tages fiel der Nachlaß doch dem Joahnniterhaus zu.

 

Es scheint im Muhder Ordenshaus, ebenso wie in anderen Kommenden Ostfrieslands, üblich gewesen zu sein, daß ein Konventuale sogar Privatvermögen besaß und darüber zu Lebzeiten frei verfügte. Das stellte sich beispielsweise heraus, als der Muhder Priester Hermann Grone seinen letzten Willen bekundete (Ostfr. UB 1265). Nach dem Urkundentext besaß Hermann Grone doch ein ansehnliches Kapitalvermögen, das er in Form von Darlehen ausgegeben hatte. Folgende Einzelheiten können das illustrieren:

 

1.)    Johann in Nüttermoor (?) erhielt einen Davidsgulden geliehen, als er in den Priesterlichen Stand trat. Dieser Johann erhielt    auch den Kaufpreis für ihm

überlassene Bücher im Wert von 15 Arendsgulden leihweise gestundet.

 

2.)    Albert, der Schuhmacher zu „Wird“ erhielt 5 Arendsgulden geliehen

 

3.)    Hybe, Herman Grones Bruder, schulde 5 Arendsgulden

 

4.) Mette de Veer wurde wegen einer Bürgschaft für ein Darlehn von einem

      rheinischen Goldgulden in Anspruch genommen.

 

5.)    Spythorst up den Orde (Leerort) hatte von Grone zehn rh. Goldgulden geliehen

 

6.)    Sieben weitere Schuldner hatten Darlehen von insgesamt 28 rh. Gulden, 4  

Arendsgulden, 6 Andreasgulden und 8 Davidsgulden erhalten.

 

Letztwillig bestimmte Hermann Grone in seinem Testament, daß jeder Priester in Muhde einen rh. Gulden erhalten sollte. Er hatte dann dafür im Gedenken an den Testator dreißig Seelenmessen zu lesen.

 

Eien besondere Attraktion hatte sich der fromme Priester offenbar für seinen Beisetzungstag ausgedacht. Zwei Tonnen Hamburger Bier, das früher als ein Qualitätserzeugnis galt – mengenmäßig also 321 Liter – sollten von den Brüdern und Schwestern in Muhde vertrunken werden. Hermann Grones Vertraute, die Gebke, wußte, wo das Geld aufbewahrt wurde, um Bierkosten und die Vergütung für die erbetenen Seelenmessen zu bezahlen.

 

Das Kapitalvermögen, ausgeliehen an die angedeuteten Schuldner, fiel zweifellos der Kommende zu. Wir erhalten aus dieser Urkunde ein treffendes Bild vom klösterlichen Leben in der mittelalterlichen kommende Muhde. Da namentlich im Testament ein Schwestersohn Grones in Brual angesprochen wird, aber auch Diele und Dörpen Erähnung finden, erscheint es nicht ausgeschlossen, daß Hermann Grone aus dem Gebiet des Stifts Münster stammte.

 

 Eine Auswertung der spätmittelalterlichen Muhder Urkunden bringt noch weitere Erkenntnisse zutage.

 

Im Jahre 1485 wollte sich offenbar der aus dem Kirchspiel Plantlünne stammende Hermann Wesselinck in der Kommende Muhde um Aufnahme bewerben. Hermann war aber von Geburt Leibeigener und daher persönlichen und wirtschaftlichen Beschränkungen unterworfen. Solche Leute konnte man aber in Nuhde nicht gebrauchen, denn diese durften ohne ihren Herrn keine selbständigen Verfügungen treffen. In Ostfriesland kannte man im Mittelalter, aber auch später, die Leibeigenschaft nicht. Personen, die damit belastet waren, mußten sich schon freikaufen oder von ihrem Herrn für frei erklärt werden. Ein Leibeigener stand praktisch unter Vormundschaft.

 

Roleff von Langen, der Knappe, für den Wesselynck, „myn vulschuldige egene“ war, gab diesen aber im Tausch für einen anderen frei. Nicht ganz geklärt ist, Rolof von Langen in diesem Fall die Treuhänderschaft für ein auswärtiges Stift zu vertreten hatte, dessen Leibeigener Wesselynk gewesen ist und somit von Langen nur vorgeschoben wurde (Ostfr. UB 110).

 

Ein Wyart Cheroldes zu Esklum verkaufte 1486 (Ostfr. UB 1167) der Kommende Muhde mehrere Grundstücke. Dieses Geschäft – es wird in der Esklumer Chronik noch näher besprochen werden – zeigt,daß Muhde im Ausgang des 15. Jahrhunderts finanziell noch flüssig gewesen ist. Kaufpreise werden im allgemeinen in klösterlichen Urkunden nicht gern genannt. Es genügte, wenn der Verkäufer erklärte, bis auf den letzten „pennick“ befriedigt worden zu sein. Auch 1492 konnte die Kommende drei Diemat „Hollingefenne“ von einem Folmhuser Bauern käuflich erwerben. In diesem Fall wird ein Kaufpreis von zehn rheinischen Goldgulden genannt. Meedland und Ackerstücke in der Esklumer Mark erwarb die Kommende noch 1496. Gewiß ist letztere damals noch gut bei Kasse gewesen.

 

Die Zeitgenossen des 15. Jahrhunderts konnten, abgesehen von einem beschränkten Personenkreis, noch nicht schreiben, auch meistens noch nicht lesen. Eine Urkunde konnte daher noch nicht mit Unterschriften versehen werden. Hochgestellte oder auch angesehene begüterte Persönlichkeiten, Priester und Häuptlinge führten aber vielfach ein Siegel, das der ausgestellten Urkunde angehängt wurde. Diese erhielt auch inhaltlich öffentlichen Glauben, wenn eine dritte Person die Zustimmung eines Partners zum abgeschlossenen Vertrag durch Beifügung des Siegels bestätigte. Nun konnte ein Komtur zu Muhde auch in Vertragssachen mit seinem Siegel tätig werden, allerdings als Partei nicht für einen Dritten auftreten. Es wurden daher als neutrale zeugen mit Siegel unbeteiligte Personen um Mitwirkung ersucht. Das waren dann Priester oder gar der Amtmann zu Leerort.

 

Nicht ganz geklärt sind heute die Motive der Kommendeoberen, häufig in Grundstücksgeschäfte einzutreten. Große Barmittel im Ordenshaus aufzubewahren, das konnte nicht ungefährlich sein, denn mit feindlichen Invasionen war immer zu rechnen. Eine Anlage entbehrlicher Geldmittel in Grund und Boden bot noch immer den sichersten Schutz. Man konnte dann diese Ländereien verpachten und daraus wieder eine Verzinsung der investierten Kapitalien erzielen. Auch Rentengeschäfte waren bei den Ordenshäusern immer sehr beliebt, weil man daraus laufende Einnahmen erzielen durfte. Überhaupt haben die ostfriesischen Ordenshäuser im Mittelalter eine gute Ökonomie gezeigt. Von der volkswirtschaftlichen Warte ausgesehen dienten sie der Allgemeinheit durch Verpachtung ihrer Grundstücke und mancher Geldsuchende hat gewiß nicht vergeblich beim Komtur vorgesprochen. Knapp zwei Dutzend Urkunden Muhdes geben heute gewiß nicht alles wieder. Diese sind wahrscheinlich nur ein Teil von dem, was einmal als Registratur in Kisten aufbewahrt worden ist.

 

Nach den vorliegenden Urkunden des 15. Und 16. Jahrhunderts lassen sich auch zahlreiche Komture und Priester zu Muhde namentlich ermitteln. Genannt werden uns:

 

1412        Aynardus „Comtur“ zu Mude (Muhde)

1442        Havo oder Haro

1465        Aynd

1466        Ayend, wohl der gleiche wie 1465

1471        Aynardus Lheris (offenbar wie oben)

1486        Goying

1490        Gherd Schele (bezeichnet sich aber als Priester zu Muhde)

1491        Gotze

1504        Gohse, möglicherweise derselbe von 1492

1507        Eylardus (nennt sich Priester zu Muhde)

1510        Wilteke

1561        Berend von hage

 

Im Anfang des 16. Jahrhunderts kamen schon schlimme Tage über die Kommende. In der Zeitschrift „Frisia“ No. 17 / 1843 wird über Brandschatzungen des Ordenshauses Muhde im Jahre 1514 gelegentlich der Belagerung der Festung Leerort durch Truppen des Herzogs Heinrich d.Ä. von Braunschweig berichtet, der dabei durch eine Kanonenkugel von der Rheiderländer Seite der Ems getötet wurde. Die Belagerer und ihre Verbündeten zogen damals wieder ab. Auch die kriegerischen Ereignisse der nachfolgenden Jahrzehnte setzte der Kommende sehr empfindlich zu. Die guten Tage waren gezählt. Vielleicht hatten sich unter den Kommendeinsassen schon Auflösungserscheinungen bemerkbar gemacht, denn inzwischen war die Reformation, begünstigt durch den jungen Landesherrn, den Grafen Enno II., ins Land gekommen. Nach seinem Tod setzte die Gräfin Anna von Ostfriesland die Regierung fort. Der letzte Komtur, Berend von Hage, suchte für sich noch zu retten, was es zu retten gab. Es ist denkbar, daß der 1561 erfolgte Verkauf der Kommenden mit allen Liegenschaften, darunter auch das Vorwerk Halte, nicht ohne einigen Druck der Landesherrschaft erfolgt ist. Ein in zierlichen Mönchsschrift gefertigtes Verkaufsinstrument besagt allerdings, viele Erschwernisse, und Nöte hervorgerufen durch Landsknechtsbesuche, hattten zum Verkauf der Kommende an die Landesherrin Veranlassung gegeben. Das kann aber nur eine billige Ausrede gewesen sein. In Wahrheit stand wohl die Liquidation oder Einziehung des Kommendegutes durch die Landesherrschaft bevor, so wie es auch mit anderen ostfriesischen Ordenshäusern geschehen ist. Lediglich Ansehen und Einfluß des mächtigen Johanniterordens in der Welt hatten die Gräfin Anna oder ihren verstorbenen Gatten davon abgehalten, wirksam gegen Muhde vorzugehen. Die Johanniteroberen ließen nämlich nicht mit sich spaßen. Sie scheuten sogar nicht den Weg zum Reichskammergericht.

 

Der legal anmutende Vertrag von 1561 mochte dann auch einen Schein des Rechtsgeschäftes zwischen dem Komtur und der Gräfin wahren. Der Kaufpreis von 200 „Daler“ war lächerlich gering bemessen. Berend von Hage wurde mit einer lebenslänglichen Rente von hundert Taler bedacht. Außerdem erhielt sein Sohn, um studieren zu können, noch jährlich dreißig Taler zugesprochen. Obwohl für den Komtur als Priester das Zölibat galt, hatte er doch einen Sohn gezeugt. In jener Zeit brauchte man sich darüber nicht besonders zu wundern. Priester, die in einem illegalen Ehestand lebten, gab es vermutlich genug.

 

Für die Landesherrschaft kam es nun nach dem „Ankauf“ der Kommende Muhde darauf an, alle Liegenschaften bei guten Pächtern unterzubringen. Erste Nachrichten darüber erhalten wir aus einem alten, an anderer Stelle bereits angesprochenen, Abgabenregister des Kirchspiels driever, das nach 1561, vermutlich erst einige Jahre später, angefertigt worden ist.

 

Dieses Register bezeichnet uns fünf Einwohner „tho der Mude“, die Gänse und Hühner an die Rentei in Leerort abzuliefern hatten. Obwohl der Zweck dieser Naturalleistung nicht mehr festzustellen ist, muß es sich wenigstens bei vier Personen um Pächter auf ehemaligen Kommendeliegenschaften gehandelt haben, die selbstverständlich ihre Heuern dafür zu entrichten hatten. Aufschlußreichere Nachrichten über das Schicksal der früheren Kommende erhalten wir schon aus den nach 1600 einsetzenden Jahresrechnungen des alten Amtes Leerort (Leer). Leider fehlt es immer an genaueren Bezeichnungen der verpachteten Objekte. Das Vorwerk Halte war schon im Anfang des 17. Jahrhunderts in andere Hände gekommen .Die große aus 18 ½ Äckern bestehende und fast bis nach Langholt reichende Mooraufstreckung östlich Mitling und Völlen war offenbar schlecht zu verpachten. Das läßt eine Notiz in den Amtsrechnungen um 1650 vermuten. Die umfangreichen Liegenschaften zu Muhde mit guten Bodenverhältnissen müssen aber für Pachtliebhaber willkommene Objekte gewesen sein. Im Jahre 1618 wurden vom damaligen Vorwerk Muhde an Pachtgeldern über 157 Taler eingenommen. Im Jahre 1650 waren es 450. Um 1700 setzte sich Muhde aus vier „Grashäusern“ zusammen, die einzeln verpachtet gewesen sind. Das würde dann die gleiche Situation ergeben, wie sie etwa um 1570 schon bestanden hatte.

 

Neben der Kapelle und den Unterkünften für die Kommendeinsassen gehörten zweifellos zu Muhde auch umfangreiche Wirtschaftsgebäude. In dieser Annahme werden wir bestätigt durch Nachrichten über die Kommendehäuser Esterwegen und Bokelesch und eine noch erhaltene Ansicht vom Kloster Dünebrok. Für die neue Besitzerin, nämlich die Landesherrschaft, waren um die Mitte des 16. Jahrhunderts alle kirchlichen und klösterlichen Zwecken dienende Baulichkeiten entbehrlich.Überhaupt machte sich bei der gräflichen Regierung in Aurich ein nachhaltiges Bestreben bemerkbar, nach Möglichkeit aus der vorreformatorischen Zeit stammende Klostergebäude abzubrechen, um daraus wertvolles Abbruchmaterial zu gewinnen, insbesondere Steine. Nach Siebels: Führer durch Ostfriesland, Seite 170 sowie Berichten älterer Chronisten (Arends, Houtrouw) sollen die Klostergebäude 1566 abgebrochen worden sein. Die Kapelle der Kommende wurde aber schon 1562 abgeborchen, also ein Jahr nach dem Verkauf an die Landesherrschaft. Gräfin Anna schenkte aus dem Abbruch Steine der Jemgumer Gemeinde für ihren Kirchenbau. Weiteres Abbruchsmaterial wurde zu baulichen Zwecken für die Festung Leerort verwendet. Einige Kellerfundamente befinden sich heute noch auf dem mit Bauernhäusern bestandenen Gelände. Offenbar hat man 1562 Mühe und Kosten gescheut, auch diese noch auszugraben. In seinem „Encomium Emdense“ (siehe: Ostfr. Volkskunde von Lüpkes, Emden 1925) hat Wilhelm Gnaphäus auch einen Jahrmarkt zu Muhde besungen. Diesen kann es höchstens vor 1500 gegeben haben. Urkundliche Nachrichten liegen darüber nicht vor. Eine Erklärung ist nur so zu finden, daß sich auf dem Klostergelände ein Markt für Vieh- und Landesprodukte eingebürgert hatte, der unabhängig von Leer und den Fähren bei Leer den Einwohnern des südlichen Rheiderlandes sowie des Overledingerlandes besonders nützlich sein konnte.

 

Im Ausgang der ostfriesischen Fürstenzeit bestand Muhde aus vier verheuerten Plätzen. Im Jahre 1779 werden uns folgende Pächter nachgewiesen:

 

1.)    Helmer Boelsen

2.)    Ottje Boekhoff

3.)    Jan Hinrichs

4.)    Meindert Beenen

 

Die Gesamtgröße der zu Muhde gehörenden Ländereien dürfte damals etwa 180 hektar betragen haben. Um 1800 wurden alle Stellen in privaten Besitz überführt.