Ein altes Abgabenregister aus der Zeit um 1570

Keine Landesherrschaft konnte auch im Spätmittelalter darauf verzichten, von ihren Untertanen Abgaben in Geld und Naturalien einzufordern, um aus diesen Erträgen öffentlichen Aufgaben zu bestreiten und die Verwaltung sowie die Hofhaltung zu finanzieren. Daß dabei nicht nach heutigen Prinzipien verfahren wurde, ist bekannt. Keinem Landesvater wäre es eingefallen, darüber seinen Untertanen Rechnung abzulegen.

 

Als die Hamburger am 28. Juli 1439 den Häuptlingen Edzard zu Norden und Ulrich zu Esens Schloß und Stadt Emden nebst einer großen Anzahl Ortschaften im südlichen Ostfriesland auf „Schloßglauben“  übertrugen (Ostfr. UB No. 509), wurden in diesem Vertragswerk auch Rechte in den einzelnen Kirchspielen, und zwar Naturalleistungen mit berücksichtigt. Die aus den einzelnen Kirchspielen zu liefernden Getreidemengen standen jetzt den vorgenannten Häuptlingen zu. Ein Recht zu Driever wird dabei nicht erwähnt. Es ist nicht anzunehmen, daß die Einwohner des Kirchspiels Driever keine Abgaben an die späteren Grafen von Ostfriesland zu entrichten brauchten. Sie sind wohl etwas später zu Abgaben verpflichtet worden. Das läßt wenigstens das älteste noch bekannte Register aus der Zeit nach 1560, vermutlich um 1570 angelegt, erkennen, in dem die Herdbesitzer zu Driever und Muhde, soweit sie zu Leistungen herangezogen wurden, verzeichnet stehen. Dieses Dokument zählt zu den frühesten Nachweisen dieser Art, die zu den Schätzen des Niedersächsischen Staatsarchivs Aurich (Rep. 4 und Depot I – Landschaft) gehören.

 

Die Verpflichtungen der Einwohner zu Driever bestanden damals u.a. in der jährlichen Lieferung von Kleinvieh – Kälbern, Ferkeln, Gänsen und Hühnern -.

 

Es macht große Mühe, dieses alte Register zu entziffern, denn das Papier ist schon recht schadhaft geworden. Die Niederschrift der Namen der Pflichtigen ist nach der Kanzleipraxis des 16. Jahrhunderts durchgeführt. Zunamen fehlen zum Teil. Es ist trotzdem nicht abwegig, die Namen der damals im Kirchspiel Driever wohnenden Abgabepflichtigen im Rahmen des Möglichen zu entziffern und dabei zur folgenden Übersicht zu kommen:

 

Namen der Pflichtigen                          Art der Lieferung

                                                                       (Wiedergabe in heutiger Bezeichnung)

____________________                            _________________________________

 

A. Driever und Randsiedlungen

 

1. Winke Garrelts                                                       1 Jungschwein (Bigge)

2. Ulbet                                                                      1 desgl., Kalb oder Lamm

3. Focko                                                                    1 Kalb

4. Raetke (?)                                                              3 Hühner

5. Dierick Jürgens (Jorgens)                                        2 Hühner

6. Ulke                                                                       2 Hühner

7. Rowe                                                                     1 Lamm

8. Ailt                                                                         3 Hühner

9. Sybrant                                                                   1 Jungschwein oder Lamm

10. Frerick Nanens                                                     2 Hühner

11. Dirriek Bolen                                                        2 Hühner

12. Wilko Smit                                                1 Huhn

13. Hermann von Jemgen (Jemgum?)               1 Huhn

14. Hero Menen                                                         1 Jungschwein (Bigge)

15. Ubbo oder Ulbe „tho der Beersche                       1 Huhn

      oder Versche (Fähre?)

16. Hinrich Paltwerk                                                   1 Jungschwein

17. Joha(n) Vischer (Fischer)                                      1 Huhn

 

B. „Tho der Mude“ (Klostermuhde)

 

1. Wiart Hofmester (Hofmeister)                                 7 Gänse und 1 Huhn

2.  Euko                                                                     1 Gans und 1 Huhn

3. Lutke Repholt                                                         1 Gans und 1 Huhn

4. Joha(n) de Veer (Fährmann?)                                  1 Gans

5. Ulbert                                                                     1 Gans

 

Es lohnt sich, noch eine weitergehende Auswertung dieses alten Registers zu versuchen.

 

Der Wert der Leistung in Kleinvieh läßt gewiß Schlüsse auf die Verhältnisse des einzelnen Pflichtigen zu. Ulbert zu Driever war offenbar ein besser situierter Herdbesitzer. Wiart Hofmester (Hofmeister) gab sogar sieben Gänse und ein Huhn zur Leerorter Rentei. Der Name Hofmeister ist vermutlich auf seine frühere Stellung in der alten Johanniterkommende zurückzuführen. Diese wurde bekanntlich im Jahre 1561 durch „Verkauf“ an die Gräfin Anna von Ostfriesland endgültig ihrer Selbstädnigkeit beraubt. Die Landesmutter mußte damals gewiß bemüht bleiben, Pächter für die umfangreichen Liegenschaften der Kommende zu finden. Nichts lag näher, als Heuerleute erfahrene Personen anzunehmen. Es ist möglich, daß zu diesem Kreis der bevorzugten Pächter auch der frühere Hofmeister der Kommende gehörte.

 

Interessant ist, daß zu den Abgabepflichtigen auch ein Johan oder Johan de Veer gehörte. Die Fähre von Esklum nach Leerort wird nach 1560 zunächst noch beibehalten worden sein. Dann wurde sie aus Sicherheitsgründen endgültig nach Esklum verlegt.

 

Ungeklärt muß bleiben, ob die Einwohner zu Driever und Muhde ihr Kleinvieh in einer Sammelladung nach Leerort geschafft haben, wo diese dann vom Küchenmeister oder Küchenschreiber in Empfang genommen wurde. Wir ahben Grund zur Annahme, daß nicht gerade die jüngsten Legehühner oder fettesten Gänse zur Ablieferung gekommen sind. Ein wenig Bauernschläue wirkte in früheren Jahrhunderten dabei mit, denn von welcher Qualität das Tier sein sollte, das war gewiß nirgends festgelegt worden.