Eine „Lustfahrt“ nach Driever vor einem Jahrhundert

Vielleicht haben in alter Zeit auch die Pastoren zu Driever manchmal ihre Besucher an schönen Sommertagen zum Emsdeich geführt, um diesen die Umgebung ihres Pfarrortes zu zeigen. Mit Blick vom Deich auf den Emsstrom, der schon seit undenklichen Zeiten eine wichitge Verkehrsader Ostfrieslands gewesen ist, war gewiß recht reizvoll. Ein lebhafter Schiffsverkehr spielte sich auf diesem zwischen Emden und dem Münsterland ab. Segelschiffe fuhren in beiden Richtungen hin und her. Um 1850 gab es aber schon kleine Raddampfer, die sich auf dem Emsstrom sehen ließen. Mit diesen wurde sogar in jenen fünfziger Jahren ein regelmäßiger Liniendienst zwischen Emden und dem Drostensiel bei Halte durchgeführt. Auch „Lustfahrten“, also Ausflüge, machte die Emder Reederei des Raddampfers „Kronprinz von Hannover“ möglich.

 

Einem Zeitungsbericht aus der späteren Zeit (Leerer Anzeigeblatt Jahrgang 1868) ist zu entnehmen, daß ein Dampfer am 14. Juni des genannten Jahres für eine Lustfahrt Leeraner Bürger mit dem Schützenkorps nach Weener und Driever eingesetzt worden ist. Bei Driever wurde gehalten, um die ersten Ausflügler abzusetzen. Das Schiff fuhr dann nach Weener weiter, hatte dort mehrere Stunden Aufenthalt, um zurückfahrend in der Nähe von Driever noch einmal zu halten. Die Fahrgäste stiegen hier aus, um sich unter Vorantritt einer kleinen Musikkapelle ins Dorf zum Gasthof Tammling zu begeben.

 

Wir verdanken eine Beschreibung dieses Dampferausflugs in Urgroßvätertagen dem vorerwähnten Bericht in der Leeraner Zeitung, in dem mit einiger Begeisterung über den freundlichen Empfang durch den Wirt Tammling manches gesagt wird. Tammling muß ein freundlicher, mehr aufgeschlossener Gastronom gewesen sein. Er hatte nicht nur für eine Beflaggung seines Hauses gesorgt, sondern bot auch Möglichkeiten, im „Grünen“ das Tanzbein zu schwingen. Für eine größere Gesellschaft waren auch wohl die Räume des kleinen Gasthofes nicht eingerichtet. So bot der Tanz im Freien besten Ersatz.

 

Im zeitungsbericht von 1868 wird jedenfalls die durch Tammling gebotene Aufnahme lobend hervorgehoben. Das war gewiß eine willkommene Werbung für den tüchtigen Gastronomen, der zweifellos auch auf die Wiederholung solcher Gesellschaftsfahrten nach Driever bedacht gewesen ist. Im vorliegenden Fall hatte sogar der Kapitän des Dampfers ein Einsehen. Er brachte seine Leeraner Fahrgäste anschließend bis zum Eisenbahndock in Leer und erfüllte damit gewiß einen besonderen Wunsch. Jedenfalls kamen seine Fahrgäste voll auf ihre Kosten. Der Fahrpreis hatte je Person 75 Pfennig betragen. Das war auch in jener Zeit des vorigen Jahrhunderts erträglich.

 

Bei dem Massenbesuch der Leeraner am 14. Juni 1868 kam Wirt Tammling gewiß auf seine Kosten. Vielleicht sind ihm dabei Gedanken gekommen, auch zu seinem Teil mitzuhelfen, daß sich diese Ausflüge wiederholten. Das war aber wohl nur durch Dampferfahrten möglich, denn eine Landstraße von Esklum nach Driever gab es noch nicht. Durch die Dörfer an Leda und Ems verlief ein Landweg, der sogenannte Deichweg, im Winterhalbjahr sehr schlecht begehbar, aber er wurde trotzdem im Sommer und im Herbst für Reisen aus dem Overledingerland viel benutzt. Manchen müden Durchreisenden sah Tammling wohl in seiner Gaststube kurze Rastpause einlegen. Zu seiner Zeit gab es den großen „schluck“ für einen halben Groschen. Er genügte unseren sparsamen Vorfahren. Die Chronisten verheimlichen uns aber nicht, daß unterwegs häufiger eingekehrt worden ist.

 

Über Tammling und seine Gaststätte wird an anderer Stelle wohl noch mehr zu berichten sein.