Gerrit Herlyn, Gespräch mit dem Deichbischof

Ja, wir haben einen Deichbischof. So wird Pastor Johann Brouer in Liebe und Verehrung in unserm Bezirk genannt. 50 Jahre hat er ununterbrochen den Dienst eines Bischofs in seiner Gemeinde Grotegaste versehen und darüber hinaus, bedingt durch Vakanzen, erfolgte Zusammenlegung der kleinen Gemeinden und durch die Kriegsereignisse in der Umgebung von Grotegaste, insbesondere in den Gemeinden Mitling-Mark, Driever und Esklum gewirkt. Anlässlich des 50jährigen Jubiläums hatte der Bezirksvorsitzende die fällige Pastorenkonferenz ins Pfarrhaus nach Grotegaste verlegt. Dazu waren auch die Pfarrfrauen von dem Grotegaster Ehepaar eingeladen und dieser Einladung zahlreich gefolgt.

In einem Gespräch mit Pastor Brouer erzählte er dann einiges aus seinem Leben, von dem wieder einiges für unsere Leser festgehalten haben und es hiermit weitergeben.

Der Jubilar erzählte von zwei Bibelsprüchen, die ihm Weggeleit und Wegweiser gewesen sind. Es sind dies der Konfirmationsspruch: „Gib mir, mein Sohn, dein Herz, und lass deinen Augen meine Wege wohlgefallen“ und der Ordinationsspruch: „Wer seine Hand an den Pflug legt und schaut zurück, der ist nicht geschickt zum Reich Gottes.“ „Hinter den beiden Sprüchen“, so sagt P. Brouer, „bin ich in meinem Leben und Wirken weit zurückgeblieben. Aber Gott hat mir immer wieder Kraft zu meinem Dienst geschenkt, ja nicht nur das, sondern auch Freude. Wenn ich jetzt auch infolge meiner Altersgebrechlichkeit nicht mehr viel ausrichten kann, so darf ich doch noch in meiner Gemeinde die Gottesdienste halten und ich kann seelsorgerliche Besuche machen. Letztere sind mir,  je älter ich werde, immer wichtiger geworden und ich mache sie mit immer noch wachsender Freude.“

Als Pastor Brouer sein 1. theologisches Examen gemacht hatte, da waren in der Landeskirche gar nicht so viele Stellen frei, dass man sofort jeden Kandidaten unterbringen konnte. Darum war der damalige Generalsuperintendent sofort damit einverstanden, dass der junge Kandidat für eine Zeit nach Bethel ging, um dort im Kandidatenkonvikt sich der praktischen Theologie und vor allem „dem Dienst mit der blauen Schürze“ zuzuwenden. Aber der hohe Herr selbst hatte keine Ahnung von einer solchen Einrichtung. Dort erlebte Pastor Brouer eine Zeit, die für ihn insofern wichtig wurde, weil der diakonische Dienst ihm von da an eine Herzensan-gelegenheit war. So wurde er dann auch später der Bezirksbeauftragte für das Hilfswerk und die Innere Mission. Vielleicht hat sein Dienst an den Taubstummen auch dort seine letzte Wurzel. Eines Tages musste der junge Kandidat in Bethel im Gottesdienst predigen. Als einer der letzten kam der alte Vater Bodelschwingh (es war ein Jahr vor seinem Tode) in die Kirche. „Da schlug mir das Herz noch höher vor Beklommenheit“, erzählt Pastor Brouer. Aber nach dem Gottesdienst habe der alte Vater ihn aufgesucht und ihm auf die Schulter geklopft. „Das war für mich etwas!“

Bevor Pastor Brouer nach Grotegaste gewählt wurde, tat er noch Hilfspredigerdienste in Rekum und auf Borkum. Rekum steckte damals noch ganz in den Anfängen gemeindlichen Zusammenlebens. Die gottesdienstlichen Versammlungen fanden in einem alten Gebäude statt. Anstelle der Kanzel wurde ein Rednerpult benutzt. (Pastor Brouer bekannte, dass er von daher die Vorliebe für ein Pult habe und eine Abneigung gegen die Kanzel, auf der man so weit von der Gemeinde entfernt ist und buchstäblich „über ihr“ steht. In seinem Alter ist ihm das Überwechseln von der hohen Kanzel zum Pult in der Gemeinde zum Schluss noch ermöglicht worden durch körperlich bedingte Notwendigkeiten.) Als bleibendes Vermächtnis aus dieser Tätigkeit ist mit ihm gegangen, wie wichtig es ist, wenn ein Pastor in seiner Arbeit von einigen Gemeindegliedern auf betenden Herzen getragen wird. In Rekum gab es eine Anzahl solcher Mütter in Christus. Und in der Arbeit an den Kindern (Sonntagsschule) stand ihm ein Baptist zur Seite, der gleichzeitig zu den treuesten Gottesdienstbesuchern gehörte.

Pastor Brouer war bewegt durch die Anteilnahme, die seine Amtsbrüder an seinem Jubiläum nahmen und durch die herzlichen Worte des Bezirksvorsitzenden Pastor Züchner. Er ist unter uns immer ein Diakon gewesen, wie er es als Helfer mit der blauen Schürze gelernt hat. Er wollte immer nur dienen. Das hat er auch im Umgang mit seinen Amtsbrüdern bewiesen. Und weil er nichts weiter sein wollte, als ein Diakon, darum träg er den Ehrentitel eines Bischofs in unserem Bezirk zu Recht.

Gerrit Herlyn, Sonntagsblatt für Evangelisch-reformierte Gemeinden 1962