Vom alten Heerenborg

In älteren Quellen erscheint die kleine Siedlung an der Leda als „Heringsborch“ im Kirchpsiel to Esschellum. Ihren Namen erhielt sie zweifellos von einem dortigen Bauernhof, nämlich Wyerdt Heringes oder Hering. Er war verheiratet mit der aus Detern stammenden Frau Beetke. Von ihrem Vater Eye (Weye) Elmes hatte Beetke eine Warfstelle in Detern erhalten, die sie mit Urkunde vom 14. August 1482 der Gräfin Theda und den Grafen Enno, Edzard und Uko von Ostfriesland für 26 rheinische Gulden, zwei „rynder“ sowie für den Erlass von Strafgeldern (brokes) überleiß. Letztere wurden also in Anrechnung auf den Kauf niedergeschlagen (voergeven). Mehrere angesehene Leute, Häuptlinge und Geistliche waren Zeugen beim Abschluss des Grundstückgeschäfts (Ostfriesische UB No. 1093).

Um die Mitte des 16. Jahrhunderts, aber wenigstens um 1570, lebte zu Heerenborg der Haye Meleffs. Nach einem alten Abgabenregister jener zeit musste er der Landesherrschaft jährlich ein Kalb geben. Mit seiner Frau Foelke hatte er einen Sohn Meleff. Dieser sollte nach einer letztwilligen Bestimmung vom Jahre 1573 „haus, Hof und Berg (Berch)“, sinngemäß wohl den Platz zu Heerenborg, erhalten. Die Familie Meleffs tritt in der späteren Zeit in Esklum auf.

Um 1560 bzw. 1570 gab es in Heerenborg noch einen zweiten Platz, der einem Heppo „tho he (ringesborch) gehörte. Er brauchte kein Kalb zur Rentei abzuliefern, sondern nur zwei Gänse.

Wyerdt Heringes ist vielleicht noch Zeuge aufregender Ereignisse des Jahres 1495 gewesen. Damals erlebte das Overledingerland eine Invasion des Bischofs von Münster, der bei Coldemüntje über die Ems setzte und bis Muhde vorrücken konnte. Graf Edzard von Ostfriesland kam mit seinen Truppen aus dem Jeverland in Eilmärschen heran. Bei Heerenborg wollte er mit Pünten über die Leda setzen und dann den bischöflichen Reitern den Weg durch das Overledingerland abschneiden. Die Münsteraner bekamen aber noch rechtzeitig Kenntnis von dieser Gefahr und zogen sich schnellstens wieder zurück.

Heerenborg lag damals keineswegs abseits von der großen Welt. Auf der vorbeifließenden Leda wickelte sich ein reger Schiffs- und Handelsverkehr aus dem Oldenburgischen und dem Stift Münster in beiden Richtungen ab. Mit ihren flachen Booten brachten die Saterländer ihren Torf in die Emsorte. Aus dem Ammerland wurden die großen Mengen Holz nach Ostfriesland transportiert. Dem Transport von Gütern auf dem Wasserweg kam damals große Bedeutung zu, denn die Landwege waren nur in der trockenen Jahreszeit benutzbar. Oft musste sogar schon das auf den Herbstmärkten aufgekaufte Vieh mit Frachtkähnen ins Münstersche, etwa bis Barßel, geschafft werden.

Zum Kirchspiel Esklum gehörte vor 400 Jahren nachweislich noch ein Bauernplatz Warverdiek. Auf diesem wohnte um 1570 der „Sander up de Weverdiek“. Man kann diese Ortsbezeichnung wohl so deuten, dass darunter eine arf- (Hof)stelle direkt am Deich zu verstehen gewesen ist.

Im 16. Jahrhundert floss die Leda noch in einer weit nach Norden verlaufenden Schleife am Flecken Leer vorbei. Damaligen Nachrichten ist aber zu entnehmen, dass sich der Strom bereits einen schmalen Wasserdurchzug in Richtung Esklum gesucht hatte. Als dieses ursprüngliche Rinnsal immer breiter und tiefer wurde, gab es in Leer bedenkliche Gesichter. Die Gemeinde Esklum würde es allerdings wohl gern gesehen haben, wen der Strom hier ganze Arbeit geleistet hätte. Das würde ihnen eine bequeme Schiffverbindung in beiden Richtungen ohne den Umweg über Leer geboten haben. Die Leeraner aber wandten sich an den Grafen Johann (gest. 1591 zu Stickhausen), der den Esklumern nur das Recht zugestand, den Durchgang soweit offenzuhalten, das ein mit Soden beladenes Schiff noch durchfahren konnte.   

In Zylmann: Festschrift zum 100jähr. Jubiläum der Stadt Leer 1923 Seite 24) finden sich noch weitere Nachrichten zur Geschichte des damaligen „Nesschloot“. Obwohl die Angelegenheit 1589 dem Grafen Johann vorgelegen hatte, musste sich Graf Enno von Ostfriesland wegen der Leeraner Beschwerden 1598 nochmals mit dieser Sache beschäftigen. Letzterer verfügte die Abdämmung des Schloots. Viel hat diese Maßnahme nicht genützt. Der Flecken musste diese 1721 nochmals erneuern, denn das alte Strombett war unterhalt des Fleckens schon so seicht geworden, dass Schiffe auf Grund gerieten.

Auffällig ist, dass noch vor 1591 den Esklumern eine Fahrrinne des Durchbruchs so breit zugestanden wurde, dass ein Schiff mit Soden durchfahren konnte. Das muss einen besonders wichtigen Grund gehabt haben. Es ist anzunehmen, dass die Esklumer Grassoden von der Nesse geholt haben. Das wird uns sogar beiläufig schon vor 1600 berichtet. Zur Herstellung von Mischdünger (Plaggenmist) sind aber wohl kaum Soden auf der Nesse „gespittet“ worden, sondern dieses Material wird gewiss zu Ausbesserungen an den Deichen Verwendung gefunden haben. Baumaterial für Ausbesserungen, insbesondere bei Deichbrüchen waren immer schwer zu beschaffen, ganz abgesehen von der schwierigen Transportfrage, die dann unter Einsatz von Frachtbooten gelöst werden musste.

Im Ausgang des 16. Jahrhunderts war Heerenborg noch eine winzige Siedlung, deren Kern erst zwei Bauernplätze ausgemacht haben.