Alte Bauernfamilien des 16. Jahrhunderts
Wichtige Quellen, die Nachforschungen auf diesem Gebiet ermöglichen, ergeben sich aus den ältesten Kontraktenprotokollen des früheren Amtes Leerort. Diese dickleibigen Bände dienten zur Eintragung und Beurkundung von privatrechtlichen Verträgen aller Art. Für das Amt Leer (Leerort) liegen diese Protokollbücher noch aus den Jahren 1556 bis 1754 im Bestand 234 des Niedersächsischen Staatsarchivs Aurich vor. Ein noch älterer Band ist leider aus der Auslagerung während des zweiten Weltkrieges nicht mehr ins Archiv zurückgekehrt. Nun haben sich glücklicherweise vor dieser Zeit noch Familienforscher mit dem inzwischen in Verlust geratenen Archival beschäftigen können. Die Ergebnisse sind jedenfalls noch teilweise bekannt. Interessante Angaben zur Geschichte der Familien im alten Kirchspiel Grotegaste des 16. Jahrhunderts enthalten auch die Veröffentlichungen zur Geschichte der Familie Groeneveld und ihrer Nebenlinien. Auf diese Familienchronik, in den sechziger Jahren durch einen weiteren wichtigen Band ergänzt, muss in diesem Zusammenhang verwiesen werden. Auch die für den Bereich Ostfriesland herausgegebenen Geschlechterbücher – die sogar in der Oldenburger Landesbibliothek vorhanden sind – enthalten wichtige Hinweise auf alte Familien im Bereich Grotegaste.
Diese damaligen Bauern waren nun keineswegs unfreie Zeitgenossen, etwa nach dem Status eines Landmanns im oldenburgischen Ammerland oder in den benachbarten münsterschen Bezirken, der von ihren Landesherren über Gebühr mit Dienstleistungen und Abgaben belastet wurde, oder wie im Oldenburgischen einer Grundherrschaft wo er häufig den Beschränkungen der Leibeigenschaft unterlag. Der Begriff eines freien Ostfriesen unseres Gebietes ist keineswegs nur ein schwärmerischer Ausdruck, sondern eine Tatsache, die einst Landleute außerhalb der Grenzen unserer Heimat nur mit Neid erfüllen konnte. Diese Grotegaster, Hilkenborger und Dorenborger Bauern, Herd- und Warfbesitzer hatten ihren Stolz, frei zu sein. Selbstverständlich waren sie Untertanen, also Staatsbürger, der Grafschaft Ostfriesland mit allen darunter fallenden Verpflichtungen. Dass aber die Bäume der Landesherrschaft nicht in den Himmel wuchsen, dafür sorgten schon im 16. Jahrhundert die Stände und ihre Landtage. Manchen mitteldeutschen Potentaten wären diese Freiheiten eines ostfriesischen Landsmanns gewiss unfassbar gewesen.
Von den uns aus dem 16. Jahrhundert genannten Einwohnern des Kirchspiels Grotegaste hat der Verfasser eine Anzahl Namen gesammelt, die nachstehend wiedergegeben werden sollen. Vollständige Einwohner- oder Abgabenlisten liegen für den Bereich des Kirchspiels Grotegaste aus der Zeit vor 1560 nicht vor. Dafür tauchen aber hin und wieder folgende Namen auf:
1.) Dorenborg
1520 Espe, Warfbesitzer „tho der Dorenborg“
1527 Foeleke to der Dorenborg
1532 Werneke to Dorenborg
nach 1500 Olde Garrelt und Ocko tho der Dorenborch.
Ockos Frau Amke verkaufte 1521
mit ihrem Sohn Syppe (Sybo ?) unter Mitwirkung des
Beistandes drei Diemat
Meedland bei der Weekeborger „Watertocht“ (Sieltief ?)
Ocko zu Dorenborg, der offenbar um 1520 noch lebte, war
damals Zeuge in
Angelegenheiten des Johann Ettens zu Koldemüntje
(s. oben)
1520 Onneke zu Midelstenborgum erwarb die Hälfte einer Warfstelle zu Dorenborg
oder nur eine halbe Stelle in der Nähe der Eppen – Warf.
Aus diesen Nachrichten ist zu erkennen, dass man in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch nicht von einem Bauernherd, sondern einer Warfstelle sprach, wobei für die Beurteilung keineswegs die Größe des Besitzes, sondern die örtliche Beschaffenheit des Hausplatzes, nämlich der erhöhten Warf, den Ausschlag gegeben hat. In älteren Overledinger Stellenregistern – auch auf der Geest – fällt nämlich auf, dass häufig von einer Warfbesitzung gesprochen wird, während diese gewiss in die Reihe von Bauernherden einzustufen gewesen wäre.
2.) Coldemüntje
1520 Für Johann Ettens zu Coldemüntje tritt ein gewisser Ocko
– offenbar Einwohner von Dorenborg – als Zeuge auf.
1560 Engelke zu Coldemüntje, dem in jener Zeit der Sohn Willm
Engelkes (gest. um 1625) geboren wurde. Letzterer ist der
Stammvater der Familie Feenders. Darauf wird an anderer
Stelle noch einzugehen sein. Auch die Familie Groeneveld führt
ihren Stammbaum auf Willm E. zurück.1574 Engelke Johans tritt
1575 in einem Ehevertrag als Zeuge auf. Er nennt sich auch
Engelke to „Coldemonneken“.
3.) Hilkenborg
1521 Gerd von Hilkenborg
1574 Ude Poppinges tho Hilkenborch, der seinen jüngsten Bruder Wyard 1532 den
Erbanteil an einer Dorenborger Stelle verkaufte. Ude oder Udo zog von Dorenborg nach Hilkenborg, wo er offenbar ansässig geworden ist.
Die vorstehenden Angaben sind vom Verfasser aus dem hochinteressanten Geschlechterbuch der „Groenevelds“ entnommen und noch durch eigene Feststellungen ergänzt worden. Nachzutragen wäre, dass 1573 bzw. 1575 in Dorenborg die Landwirte (Bauern) Ulbet Wiardes und Hayke .... gewohnt haben.
Die Leerorter Beamten haben auf die Wiedergabe von Zunamen kaum Wert gelegt. Es genügte ihnen, dem Vornamen die Bezeichnung des Wohnsitzes anzuhängen.
Auch die Familien des 16. Jahrhunderts – soweit sie in den einzelnen Dorfschaften des Kirchspiels Grotegaste wohnten – unterhielten nicht nur untereinander, sondern auch mit Einwohnern im Rheiderland vielseitige verwandtschaftliche Beziehungen. Ein Bauer verheiratete sich auch damals nur mit einer Tochter eines Berufsgenossen. Eheschließungen zwischen jungen Leuten waren immer eine ernste Sache. Gern wurde mit Hilfe des Pfarrers auch ein entsprechendes Schriftstück aufgesetzt und von dem Pastor besiegelt. Darin fanden dann erbrechtliche und andere Bestimmungen Aufnahme.
Im Jahre 1575 wurden Engelke zu Coldemüntje und Ude Poppinges (Poppinga) aus Hilkenborg mit dem Pastor Diricus (Dirk) Smithues aus Driever als Zeugen für die Richtigkeit eines 1575 entrichteten Ehevertrages hinzugezogen, der zwischen Uden Poppinges zu Stapelmoor und der Hayken Lüppes aus Hilkenborg errichtet worden war. Die beiden Udes waren zweifellos Verwandte. Genau wurde im Vertrag auch die Sicherung der Lebensverhältnisse (Unterhalt) der Ehefrau, wohl für einen möglichen Witwenstand, abgesprochen. Solche Eheverträge sind in vergangenen Jahrhunderten vielfach errichtet worden. Auch in der Ehe sollte alles seine rechtliche Ordnung behalten.
Wer sich besonders absichern wollte, ließ solche wichtigen Verträge in das Kontraktenprotokollbuch beim Amt Leerort einschreiben. Dadurch wurde der öffentliche Glaube einer Urkunde hergestellt. Häufig sind Verträge des 16. Jahrhunderts von Einwohnern aus dem Overledingerland in Leerort zur Eintragung gelangt und damit inhaltlich wenigstens seit 1556 noch überliefert worden. Über die Familien im Kirchspiel Grotegaste hat sich dadurch manche Quelle aus dem 16. Jahrhundert erhalten.