Aus Kirchenvisitationen wurde nichts
Nach den Konkordaten von 1599,. die es u.a. jedem Kirchspiel freistellten, ob sich die Gemeindemitglieder der lutherischen oder reformierten Richtung zuwandten, war in Aurich für Ostfriesland ein paritätisches Konsistorium als kirchliche Oberbehörde vorgesehen. Aber 1643 wurde als besondere Abteilung der gräflichen Kanzlei ein rein lutherisches Konsistorium errichtet. Die Interessen der Reformierten wurden also nicht gewahrt. Eine Verbesserung brachte erst die 1766,also in der preußischen Zeit, eingeführte neue Inspektionsordnung, die für die reformierten Gemeinden eine Verteilung auf sieben Bezirke vorsah.
Über vom Auricher Konsistorium durchgeführte Kirchenvisitationen liegen für die lutherischen Gemeinden noch gesammelte Protokolle seit 1629 vor, unschätzbare Quellen zur Kirchen- und Ortsgeschichte, die sich im Besitz der Auricher Landessuperintendentur befinden. Die Protokolle sind in dickleibigen Bänden zusammengebunden worden. Register erleichtern die Auffindung der visitierten Gemeinden. Allerdings fehlen in diesen Bänden Niederschriften der Visitationen von reformierten Gemeinden. Nur lückenhaft werden uns diese noch im Auricher Staatsarchiv oder vereinzelt in den spärlichen Registraturen der reformierten Gemeinden zugänglich gemacht.
Als sich 1629 der Auricher Hofprediger und Generalsuperintendent auf die Visitationsreise durch das südliche Ostfriesland zu begeben gedachte, ließ er anscheinend für jede in Aussicht genommene Kirchengemeinde einen aus mehreren Blättern bestehenden Vorgang mit Überschriften vorbereiten, der vorerst mit dem Namen der zu besuchenden Gemeinde versehen wurde. Offenbar war dem Kosistorium zu Aurich noch nicht genau bekannt, welches Kirchspiel im Overledingerland reformiert oder lutherisch gewesen ist.
Bekanntlich hatte der 1591 auf der Burg Stickhausen verstorbene Graf Johann von Ostfriesland, dem die westlichen und südlichen Ämter Ostfrieslands zur Verwaltung übertragen worden waren, den reformierten Kultus gefördert. Die Kirchspiele im Overledingerland müssen zu seiner Zeit noch restlos reformiert gewesen sein, wie etwa Völlen und Steenfelde. Diese wandten sich später der lutherischen Lehre zu.
Für einen Visitator aus Aurich war es um 1629 noch sehr schwer, die bestehenden Verhältnisse in den einzelnen Gemeinden klar zu überblicken. Im genannten Jahr erschien er auch in Esklum, um nach dem Rechten zu sehen. Da diese Gemeinde aber reformiert war, musste sich der Visitator aus Aurich darauf beschränken, nur einen kurzen Höflichkeitsbesuch beim Pastor Rudolf Dreesmann abzustatten. Er benutzte aber diese Gelegenheit, wenigstens einige Notizen aufzunehmen, die höchstens informatorischen Wert haben konnten. Für uns sind heute diese wenigen Angaben trotzdem interessant, weil sie einen Einblick in die kirchlichen Verhältnisse vor fast 350 Jahren vermitteln.
Prediger der Gemeinde war damals Rudolf Dreesmann, dessen Familiengeschichte nach Haselünne verweist. Als Kirchgeschworener wird Bernt Jörgens genannt. Das Amt eines Armenvorstehers verwaltete Johann Harmens.
Fast jede Gemeinde im damaligen Overledingerland hatte bereits einen Küster für den unteren Kirchendienst. Er hatte für Ordnung auf dem Friedhof sowie in der Kirche zu sorgen. Dort leitete er auch den Gemeindegesang durch Vorsingen ein. Ob es nun zu seinen Aufgaben gehörte, Gräber auszuheben, das lässt sich nicht mehr nachweisen. Diesen kirchlichen Dienst versah als Küster 1629 der Esklumer „cüster“ Heinrich Brawe. Seine Einnahme bestand in der Nutzung von zweieinhalb Diemat Land (küstelrand?). Außerdem durfte Brawe eine Kuhweide „bey dem teich“ nutzen. Schulunterricht dürfte er noch nicht erteilt haben, denn dazu werden keine Angaben gemacht.
Besser war nach dem Bericht von 1629 das Diensteinkommen des Esklumer Pastors. Er nutzte über 33 Diemat Pfarrländereien, ein „großes“ Stück Land (Außendeichsland) und hatte außerdem Weide für acht bis neun Kühe zur Verfügung. Dieser Pfarrfundus gestattete also einem Prediger, sich einer umfangreichen Landwirtschaft zu widmen.
Die Kirche nahm jährlich an Landpachten etwa zwanzig Taler ein. Die Armenkasse verfügte über einen Bestand von 113 Taler (ostfr. Taler?) und hatte aus Landheuern eine beitragsmäßig nicht näher bezeichnete Rente aus Ländereien zu vereinnahmen.
Pastor Dreesmann hat offenbar den hohen Gast aus Aurich freundlich aufgenommen, vielleicht mit einem höflichen Hinweis auf die Visitationstätigkeit der hohen Herren seines Coetus. Mehr konnte auch der Visitator aus Aurich nicht erwarten.