Aus Drievers Verwaltungsgeschichte nach 1800

Eine kommunale Verwaltung in der modernen Vorstellung hat die spätere Gemeinde vor 1800 noch nicht gekannt. Was es intern, insbesondere auf wirtschaftlichem Gebiet zu regeln gab, besorgten die von den berechtigten Interessenten ausgewählten Bauerrichter, die in der Regel ein Jahr amtierten und dann wieder neu bestellt werden mußten. Das Aufgabengebiet eienr späteren Gemeindeverwaltung war noch aufgeteilt. Eingesetzte Schüttmeister traten in der Hauptsache bei der Erstellung von Schatzungsregistern, der Hebung ständischer Abgaben oder sonstiger Gefälle in Aktion. Für das Armenwesen sorgten die kirchlichen Vorsteher, denn diese Sozialfürsorge sowie die Unterhaltung von Kirche, Schule und Pastorat war Sache des Kirchspiels. Die Bauerschaft hatte unter Leitung der Bauerrichter für die Unterhaltung der Wege, Stege und notfalls auch der Durchlässe (Wasserzüge) zu sorgen. Den Deich- und Sielrichtern oblag die Aufsicht über Deich- und Sielanlagen.

 

Die Bestellung von Bauerrichtern oder auch Bauermeistern geschah ohne Mitwirkung der Landesherrschaft oder des Staates. Eine behördliche Aufsicht gab es für diesen Sektor vor 1807 – dem Zeitpunkt der Einverleibung Ostfrieslands durch Holland- nicht. Lediglich in Kirchen- und Armensachen wurde eine Kontrolle durch die Visitatoren des Konsistoriums durchgeführt. Seit 1811 trat im Zuge der Annektion Ostfrieslands durch Kaiser Napoleon das französische Verwaltungssystem in Kraft. Es blieb auch über den Zeitpunkt der Befreiung des Landes im Herbst 1813 zunächst bestehen. Am 15. Dezember 1815 kam Ostfriesland offiziell zum Königreich Hannover. Die Verwaltung Ostfrieslands wurde in der Folgezeit nach hannoverschem Muster reorganisiert. Nachdem zunächst der Anfang mit der Errichtung der Provinzialregierung (später Landdrostei Aurich) gemacht worden war, wurde anschließend die Errichtung der Verwaltung der Städte und Ämter ins Werk gesetzt. Die Errichtung örtlicher Verwaltungen auf Kirchspielebene (Gemeindebezirke) ist mittels Verfügung vom 26. Januar 1819 ausgelöst worden. In diese Zeitfällt also die Geburtsstunde der ostfriesischen Landgemeinden, wenn diese auch noch nicht eine politische Selbständigkeit erlangt hatten. Sie wurden in der Folgezeit wenigstens schon bezirklich abgegrenzt. Noch lebte man aber auch in Driever noch in einem Obrigkeits- und Polizeistaat. Wo sich die nächste höhere Behörde befand, das war am Ortseingang oder durch Anschlagtafeln zu erfahren.

 

Der nach 1819 für Driever eingesetzte Bauermeister oder Vorsteher war keineswegs frei gewählt, sondern von der Obrigkeit eingesetzt worden. Er galt als Staatsdiener, worüber viel mißmut geäußert wurde. Gegen die neue Ordnung zu protestieren, blieb nutzloses Vorgehen. In Hannover wünschte die Regierung keine abhängigen, in freier Wahl betimmten Vorsteher. Das Revolutionsjahr 1848 schien zunächst den Weg für eine demokratische Ordnung freizumachen, aber die geringen liberalen Zugeständnisse wurden sehr bald wieder beseitigt. Bis zur Auflösung des Königreiches Hannover und den Anschluß an Preußen (1866) geschah nichts, um den Landgemeinden eine polititsche Selbständigkeit zu geben.

 

Diese Schilderung der kommunalen Verhältnisse zeigt, wie langsam im vorigen Jarhhundert das Gebilde einer selbständigen Gemeinde Driever unter einem Gemeindevorsteher als ihrem ersten Vertreter geschaffen werden konnte. Driever zählte zu den kleinsten Gemeinden in Overledingerland. Im Jahre 1852 hatte sie 232, dann nach der Zählung von 1880 nur 265 Einwohner. Von den älteren Bauermeistern ( Vorstehern) wird uns um 1840 der Landwirt B. Beening genannt. Im benachbarten Grotegaste amtierte damals in der gleichen Eigenschaft O.U. Peteres.

 

In den letzten Jahren ist auch die Gemeindeverwaltung Drievers nach häufigeren Gesetzesänderungen ausgerichtet gewesen. In der Chronik der früheren Gemeine Ihrhove (Seite 32ff) ist über diese Maßnahmen der Staatsführung ausführlicher berichtet worden. Eine umfassende Gemeindegesetzgebung entstand schon in den Jahren 1891/92 (Dr. Schoen, Jena: „Das Recht der Kommunalverbände in Preußen“). Das Stimmrecht der Gemeindeglieder wurde genau geregelt. Dieses direkt auszuüben, war weiblichen Personen noch bis 1918 versagt. Wer keine Gemeindesteuern und Abgaben bezahlte, kein Vermögen im Sinne der Steuergesetzgebung besaß, hatte in Gemeindeangelegenheiten praktisch auch nicht mitzureden.

 

Im Verlauf der letzten hundert jahre des Bestehens der alten Gemeinde Driever haben die verschiedensten Einwohner den Posten eines Gemeindevorstehers und Bürgermeisters bekleidet. Sie versahen ein Ehrenamt, das sich in der Öffentlichkeit eines hohen Ansehens erfreute, aber manchmal auch sehr belastend gewesen ist, wie etwa in den beiden Weltkriegen mit einer vielseitigen Verwaltungsarbeit, insbesondere durch das Kartenwesen.

 

Im Jahre 1933 führte der Vorsteher eines Landgemeinde die Bezeichnung „Bürgermeister“. Manche Veränderungen traten nach 1945 ein. Neue Grundlagen erhielten die Gemeindeverwaltung bzw. die Bestellung und Funktion von Bürgermeister und Rat durch die Niedersächsische Gemeindeordnung von 1955. Weitere Änderungen sind dann noch 1960 erfolgt (Jahn: „Nieders. Gemeindeordnung“, Hannover 1961).

 

Nach Bildung der Großgemeinde Westoverledingen hat die einstige Emsgemeinde Driever ihre Selbständigkeit 197   verloren. Auf örtlicher Ebene mußte aber geschaffen werden, um durch als Ehrenbeamte eingesetzte „Ortsvorsteher“ manche Funktionen ausführen zu lassen, durch die einmal der Verkehr der Einwohner der früheren Gemeinde Driever zur Zentralverwaltung erleichtert und unnötige Wege dorthin erspart werden konnten. In dieser Stellung wirkt heute Heiko Freesemann in Driever. Er setzt damit die Tradition einer verdienstvollen Gemeindeverwaltungsarbeit seiner Vorgänger – Gemeindevorsteher und Bürgermeister – fort, wenn auch im geschränkten Rahmen. Nach der Fertigstellung des neuen Ratshauses in Ihrhove wird dort die gesamte Gemeindeverwaltung zentralisiert sein. Auf die Mitwirkung der eingesetzten Ortsvorsteher in den alten Emsgemeinden wird man trotzdem wohl kaum verzichten können.

 

Mit der monatlichen Schrift „Westoverledingen auf einen Blick“ wird in vorbildlicher Weise für eine gute Publikation der Verwaltungsarbeit innerhalb der heutigen Großgemeinde gesorgt. Diese Informationshefte liegen auch für Interessenten bei Georg Garrels in Driever zur Mitnahme bereit. Die Pflege guter Kontakte zwischen Gemeindeverwaltung und Bevölkerung hat also trotz der Zentralisierung der Gebietseinsteilung nicht aufgehört. Vielleicht ist es manchem Einwohner der alten Emsgemeinde zunächst ein wenig schwer gefallen, sich an die heutige Gemeindeordnung zu gewöhnen. Die alte Gemeinde hatte eine einfache Verwaltung. Die Hebesetze waren niedrig, aber damit kommt man in unserer fortschrittlichen Welt nicht mehr aus. Zu umfangreich sind heute die kommunalen Aufgaben. Sie lassen sich nur innerhalb eines großen Verwaltungskörpers, einer modernen Großgemeinde, meistern.