Coldemüntje in der ostfriesischen Grafen- und Fürstenzeit
Wenn es bei unseren ältesten ostfriesischen Chronisten um die Deutung eines Ortsnamen ging, haben diese sich nicht immer einer streng wissenschaftlichen Auslegung befleißigt. Das war ihnen gewiss auch nicht möglich, insbesondere, als ihnen kaum Archivalien zur Verfügung gestanden haben; vielleicht abgesehen bei jenen Klosterbrüdern des Spätmittelalters, die sich bei der Abfassung von Chroniken auf dieses Material in ihren Archivalien stützen konnten.
Im „Ostfriesischen Monatsblatt, Jahrgang 1883, S. 349“ sucht Pastor Houtrouw zu Neermoor für die Ortsbezeichnung „Kolde-Moeniken“ „Coldemüntje“ eine Erklärung hinsichtlich dieses Namens zu finden. Dabei verweist er auf Möglichkeiten, Coldemüntje sei einst ein Klostergut oder Vorwerk von Muhde gewesen, jener Johanniterkommende am Zusammenfluss von Ems und Leda, die 1561 von der Gräfin Anna von Ostfriesland „Käuflich“ erworben worden ist.
Nun gibt es keine Urkunde des Spätmittelalters, die einen Beweis antreten könnte, dass Coldemüntje einst ein Klostervorwerk war. Den Johannitern hat dagegen nachweislich Halte gehört. Auch im Kirchenspiel Mitling hatten sie Grundbesitz. Im Testament der Gräfin Theda von Ostfriesland von 1494 (Ostfr. UB Nr. 1395) finden sich nun interessante Bestimmungen, mit denen das Kloster Ihlow bedacht werden sollte. Die Gräfin spricht von „alle de erve und land uns behorende in Overledyngerlande to Hilkenborch unde daer anders jergen ummelanx liggende (Ländereien)“. Die Gräfin war also in diesem Bezirk sehr begütert. Sinngemäß ist aus dem Urkundentext zu schließen, dass auch Liegenschaften in der Nähe von Hilkenborg gemeint gewesen sind, somit Höchstwahrscheinlich auch zu Coldemüntje, das ja in nächster Nähe Hilkenborgs liegt. Eine weitere Stütze für diese Annahme erhalten wir auch noch aus späteren Vorgängen. Ein Menschenalter später (1549) kam Ihlow – ebenfalls durch einen merkwürdigen Kaufvertrag – in den Besitz des ostfriesischen Herrscherhauses. Damit kamen auch die einst aus dem Besitz der Gräfin Theda erhaltenen Liegenschaften um Hilkenborg wieder in das Eigentum der Landesherrschaft zurück. Damals war Thedas einstiger Wunsch, die frommen Mönche des Ihlower Konvents möchten für die Verstorbenen der Landesherrschaft beten und fleißig Seelenmessen lesen, längst hinfällig geworden. Von den Gnadenerweisen der alten Kirche wollte das Reformationszeitalter Ostfrieslands nicht mehr hören.
Im Anfang des 16. Jahrhunderts, also noch in der Zeit der Reformation, wohnte zu Coldemüntje – wie bereits an anderer Stelle gesagt – der Bauer Johann Ettens. Vermutlich hat er noch einen zweiten Berufskollegen gehabt. Die Coldemüntjer Plätze zahlten eine Art Pacht an die Landesherrschaft, und zwar die Renteikasse des Amtes Leerort, das später seinen Sitz in Leer hatte. Im Jahre 1606 vereinnahmte die Renteikasse von den Coldemüntjern Roloff von Ströhen oder Srohen und Willm Engelken 146 Taler. Im Jahre 1618 waren es aber nur hundert, die von dort gezahlt worden sind.
Im Jahre 1727 zahlten drei Einwohner ihren Obolus an die Landesherrschaft, nämlich:
1.) Hinrich Schulten (Kolde Monnieken) = 25 Taler
2.) Lübbert Rösingh ( desgl. ) = 25 Taler
3.) Harbert Willens ( desgl. ) = 25 Taler
Einer der früheren Plätze muss also in der voraufgegangenen Zeit geteilt worden sein, so dass nun drei Bauern ihren Herd bewirtschaften konnten. Offen bleibt nun die Frage, wie die rechtlichen Verhältnisse gewesen sind. Da seit 1618 gleichbleibende Beträge an die Landesherrschaft gezahlt wurden, ist ein Erbpachtverhältnis anzunehmen, das durch Kapitalablösung notfalls beseitigt werden konnte, um zu einem freien Eigentumsverhältnis zu kommen. Nach Feststellungen des Verfassers ist das aber in früheren Jahrhunderten kaum vorgekommen. Bei der miseren Finanzlage des ostfriesischen Fürstenhauses wären Erbpachtablösungen in Geld jedoch bei den ostfriesischen Ämtern sehr willkommen gewesen. Die Erbpächter dachten aber nicht daran, sich ihrer jährlichen Zahlungen durch Ablösung zu entledigen. Hundert Taler entsprachen um 1700 nicht mehr der Kaufkraft als um 1600 oder gar 1550. Die normale, aber auch manchmal stärkere Entwertung des Geldes kam also den wirtschaftlichen Verhältnissen der Erbpächter mit der Zeit doch sehr entgegen und wirkte sich daher mit der Zeit weniger drückend aus.
Es gehörte zur Praxis der gräflichen und späteren fürstlichen Ämter, bei der Vorbereitung von namentlichen Hebungslisten, die einen Bestandteil der Jahresrechnungen bildeten, nach Vorlagen aus den Vorjahren anzufertigen, obwohl vielleicht schon der Sohn oder ein Nachfolger den registrierten Bauernplatz übernommen hatte. Auf diese Besonderheit stoßen wir 1727 auch bei Coldemüntje. Es wird nämlich unter Coldemüntje im gleichen Jahr eine Einnahme von sieben Taler 10 Schaf verzeichnet, die ein Zahlungspflichtiger, der Hauptmann (wohl des Landesaufgebots) Hinrich Siebens von „Koldemonivken“ entrichtete. Er hatte eine Warfstelle gepachtet, die soweit ersichtlich, zu Hilkenborg gelegen haben muss. Als Führer des Landesaufgebots konnte Hinrich Siebens als ein angesehener Mann gelten, denn eine solche Aufgabe wurde nicht jedem Einwohner übertragen.
Aus Coldemüntje stammten auch die ersten Vorfahren der Groenevelds und Feenders, Familien, die noch heute in der Gemeinde ansässig sind.
Ein Folkert Jans Groeneveld war im vorigen Jahrhundert Besitzer einer Ziegelei zu Coldemüntje, die er 1870 abgebrochen hatte. Nach einer Anzeige im Leerer Anzeigeblatt (v. 10.1.1870) sollten die Abbruchsmaterialien zum Verkauf kommen.
An schönen Sommertagen an Coldemüntje vorbeizufahren, ist für Radfahrer, die dafür noch Zeit haben, gewiss ein Anlass zu mancherlei Betrachtungen. Hier begegnet uns für Jahrhunderte ein bemerkenswerter Abschnitt heimatlicher Geschichte. Viele Ereignisse aus früheren Jahrhunderten werden uns allerdings in Archivalien nicht mehr offengelegt. Verändert hat sich hier aber seit vielen Generationen nichts. Wir sehen hier die Landschaft fast noch so, wie sie auch früher war. Mit der Zeit ist die Landwirtschaft gegangen. Auf den Weiden sieht man prachtvolles Vieh, aber auch manches moderne Gerät hinter den Bauernplätzen zeigt, dass es hier in der Betriebsführung die Welt der Großväter nicht mehr gibt.