Esklumer Fähre ein wichtiger Verkehrsträger
Diese wichtige Verbindung für die Kommunikation zwischen dem Overledinger Land und dem Flecken Leer bestand im 15. Jahrhundert offenbar noch nicht. Dafür befand sich eine Fähre zwischen Muhde und der gegenüberliegenden Seite bei Leerort. Weil die Gefahr von Spionage für die dortige Festung bestand, soll von der Landesherrschaft eine Verlegung nach Esklum veranlasst worden sein. Die älteren Chronisten haben diesen Vorgang zwar in ihren Darstellungen angesprochen, wie etwa Eggerik Beninga in seiner „Chronica der Friesen“. In dieser wird die Fähre 1558 erwähnt, und dabei auch auf die notwendige Verlegung aus Sicherheitsgründen für die Festung Leerort hingewiesen.
Im Jahre 1964 ist nun eine Neubearbeitung der Chronik Beningas herausgekommen (Verlag Ostfr. Landschaft). Dabei sind die Urtexte der Niederschriften Beningas noch einmal unter die Lupe genommen und offenbare Fehler berichtigt. Daraus ergibt sich, dass die Fähre weiter nach Westen verlegt werden sollte. Im Hinweis auf eine Verlegung nach Esklum ist dieser Ort von Beninga durchgestrichen. Die von älteren Chronisten behauptete Verlegung der Fähre von Muhde nach Esklum ist also für 1558 keineswegs so sicher. Es ist möglich, dass sie zwar noch weiter bestanden hat, aber auf der Nordseite der Leda einen anderen Landeplatz erhielt. Übrigens wird ja noch im alten Abgabenregister, das aus den Jahren 1560 bis 1570 stammt, ein „Johann de Veer“ genannt.
In der ältesten bekannten Leerorter Amtsrechnung wird aber eine Fähre zu Esklum bereits 1606 aufgeführt, und zwar mit einer Pachteinnahme von 40 Taler. Die Peronen- und Wagenfähre war 1650 an den Fährmann Evert Janssen verpachtet, der damals bereits im Jahr 70 Taler zahlen musste. Im Jahre 1606 kommt aber die Fähre zu Muhde in der Amtsrechnung nicht mehr vor. Sie war wohl um 1600 längst aufgegeben worden.
Nach 1700 war der Fährbetrieb, zu dem auch ein Fährhaus offenbar mit Schenke gehörte, mit mancherlei Schwierigkeiten verbunden. An der Leeraner Seite machte sich nämlich eine starke Versandung bemerkbar. Sieben Einwohner aus Esklum beschwerten sich 1718, dass nichts geschah, um diese störenden Hindernisse zu beseitigen. Weder Vieh noch „menschen“ konnten ohne Not übergesetzt werden.
Die fürstliche Behörde in Aurich wollte nun Wandel schaffen. Das Amt Leer wurde beauftragt, für die Herstellung eines Landestegs Offerten einzuholen. Für 321 Gulden wollte der Zimmermann Cornelius Oltmanns die benötigten Pfähle liefern. Nun waren die Kassenverhältnisse des Amtes Leer alles andere als rosig zu bezeichnen. Das hing nicht zuletzt mit den hohen Belastungen mit Zinsen für die landesherrlichen Schulden zusammen. Das die Beamten einfach zweihundert Gulden und mehr für die Fähre bereitstellen konnten, ohne ihre eigenen Gehaltszahlungen zu gefährden, erscheint recht zweifelhaft. So wurde die gute Absicht, durch den genannten Zimmermann das Pfahlwerk liefern und einrammen zu lassen, nicht verwirklicht. Auch 1722 war noch nichts geschehen. Fährpächter war damal Warner Dirks, der aber an seinem Betreib wenig Freude fand. Er hatte das „Fehr gahr theuer“ gepachtet. Zeitweise musste er aber den Fährbetrieb wegen der Versandung an der Nordseite der Leda einstellen. Er dürfte daher die Pachtung aufgegeben haben. Zu seinen Nachfolgern zählte der 1726 und 1727 genannte Roelf Lammers.
Dieser Fährpächter kam während des sogenannten „Appelkrieges“ des offenen Bürgerkrieges zwischen den ständischen und fürstlichen Truppen, in eine missliche Lage. Die „rebellischen“ Kommunen (Gemeinden des Overledinger Landes?) hatten sich seines Fährbetriebes bemächtigt und diesen nach „eigenen Gefallen“ benutzt. Das konnten Esklumer Einwohner bestätigen. Sein Fährhaus wurde Beschuss „totaliter ruiniret“, so dass die Wiederherstellung des Gebäudes von Lammers mit großen Kosten besorgt werden musste. Deshalb suchte er um Niederschlagung der fälligen Pacht nach. Davon wollte man in Aurich nichts wissen. Lammers wurde mit Zwangsvollstreckung gedroht. Aus dem Jahre 1728 hören wir, dass Lammers bezahlte.
Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts – in den vierziger Jahren – wurden Fährkrug und Fährbetrieb von der Familie van Mark (Jan Ontjes van Mark) bewirtschaftet. Jann Ontjes hatte auch Grundbesitz in der Gemeinde. Im Ausgang der fünfziger Jahre siedelten die van Marks nach Ihrhove über. In der Familie war auch das Lohnfuhrunterwesen zuhause. Es wurde später in Ihrhove fortgesetzt.
Ein Konkurrenzunternehmen für die Esklumer fähre war noch im Anfang unseres Jahrhunderts die Personenfähre bei Tjackleger, die aber geringere Bedeutung hatte und später aufgehoben wurde. Für das Overledingerland – wenigstens für den westlichen Teil – blieb die Esklumer Fähre eine wichtige Verkehrsverbindung nach Leer und in das Innere Ostfrieslands, insbesondere, als bis zur Jahrhundertwende der Ausbau der Deichstraße abgeschlossen war. Besonders an Markttagen in Leer wurde in Esklum viel Vieh übergesetzt. Landwirte aus dem Overledingerland, viele Radfahrer, aber auch noch Fußgänger, benutzten die Fähre. Das fährgeld war noch nach dem ersten Weltkrieg gering bemessen. Einwohner aus den umliegenden Overledinger Gemeinden, die den Fährschatz entrichteten, zahlten oft nichts. Sonst gab eine Person fünf Pfennige, den gleichen Betrag vielleicht für das Fahrraad. Die Masse des Verkehrs musste also die Einnahme des Jahres bringen. Dass Passanten und Benutzer der Fähre auch gern einmal in der Gastwirtschaft des Fährpächters Boumann rasteten, mag aus der Erinnerung der Verfassers gern gewürdigt werden. Ohne Hilfskräfte konnte der Fährbetrieb bei dem ständigen Verkehr kaum auskommen. Es bedurfte oft harter Armearbeit, um Boot und Pünte bei Sturm und starker Strömung über die Leda zu bringen. Die Länge der Fahrstrecke wurde natürlich von Ebbe und Flut bestimmt.
In den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges – insbesondere am 26. April 1945 – hatte Esklum stark unter Artilleriebeschuss des näher rückenden Feindes zu leiden. Der Ort war nämlich von Angehörigen der zurückweichenden Wehrmacht besetzt. Durch Treffer wurden nicht nur das Fährhaus, sondern auch die Plätze Willms, Leemhuis, Weert Boekhoff, Uphoff und Boekchhoffs alter Platz bei der Kirche getroffen und zerstört oder erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Auch Arbeiterhäuser erlitten große Beschädigungen. Große Viehverluste waren zu beklagen. Trotzdem sollte Esklum verteidigt werden. Über die Leda zurückgehende Soldaten wurden zurückbeordert.
Nachdem die Kampffront Esklum überrollt hatte, fiel der Fährbetrieb völlig aus. Die Alliierten errichteten über die Leda eine Notbrücke. Für die Auffüllung des Bombentrichters beim Siel wurde das Material der zerstörten Platzgebäude von Willsm sowie eines Nachbarhauses verwendet. Die Brücke wurde nach einiger Zeit wieder beseitigt und dann der Fährbetrieb wieder aufgenommen. Er hatte erst in den ersten Nachkriegsjahren einen regen Verkehr aufzuweisen, denn die 1934 erbaute, aber 1945 zerstörte Ledabrücke (Siebels: Führer durch Ostfriesland, 1955) konnte erste 1951 wiederhergestellt werden. Diese Schnellverbindung über die Leda hatte übrigens schon seit 1954 mit der fortschreitenden Motorisierung einen Teil des Verkehrs von Esklum abgezogen.
Mit der Esklumer Fähre verbinden den Verfasser viele liebe Erinnerungen aus früheren Jahrzehnten. Die Idylle schöne Sommerabende, mit dem Blick von der Leeraner Seite auf Fähre und Bauerndorf Esklum bleiben gewiss manchem Heimatfreund heute noch unvergesslich. Davon steht nichts in nüchternen Amtsakten früherer Jahrhunderte, die sich mit Pächtern, vielen Querelen und Pannen im Fährbetrieb befassen und gelegentlich auch Verpachtungen ansprechen. Als sich in den vergangenen sechziger Jahren die Deichdurchlässe schlossen, war ein Stück Esklumer Vergangenheitsgeschichte abgeschlossen. Unser schnelllebiges Zeitalter braucht keine altertümlichen Fährbetriebe mehr. Das Rad des wirtschaftlichen Fortschritts ist unaufhaltsam und nicht zurückzudrehen. So bleibt es einem Heimatfreund nur vorbehalten, der alten Esklumer Fähre mit ihrer jahrhundertealten Geschichte nach diesen Nekrolog zu widmen.
Letzter Fährmann zu Esklum war Oltmann Gerdes. Vor ihm haben lange Jahre Vater und Onkel den Fährbetrieb versehen. Bei Wind und Wetter setzten sie Fuhrwerke und Passanten mit Pünte und Boot übe und versahen pünktlich und zuverlässig ihren Dienst im Interesse eines reibungslosen Verkehrs. Auch der Verfasser hat diese Fährleute in einem ehrenvollen Andenken behalten. Der Allgemeinheit haben sie einen wertvollen Dienst erwiesen. Das darf man auch für die zurückliegende Zeit von den Angehörigen der Esklumer Familie Baumann sagen.