Kleine Esklumer Glockengeschichte. Die Kirche
Im Jahre 1929 wurde in Emden (Upstalsboomblätter XIV) die „Glockenkunde Ostfrieslands“ von A. Rauchheld unter Mitwirkung von F. Ritter herausgegeben, eine hochinteressante Schrift, in der die erstmals noch vorhandenen und nachweisbaren Glocken der heimatlichen Kirchengemeinden besprochen worden sind. Es ist wohl wenig bekannt, dass schon vor etwa 250 Jahren im Amtsbezirk Leer Bestandsaufnahmen von Glocken unter Einsatz der Vögte durchgeführt wurden, die aber nur als Zählungen gewertet werden können. Vielfach wurden die Gewichtsangaben völlig willkürlich geschätzt. Eine Feststellung wichtiger Glockeninschriften ist nicht erfolgt. Die „Glockenkunde Ostfrieslands“ von Rauchheld gibt uns wenigstens heute einen Überblick über den einstigen Glockenbestand im Overledingerland. Wer noch die Zeit vor dem ersten Weltkrieg kannte, weiß gewiss, wie erhebend es manchmal war, unterwegs am Sonntagmorgen den von allen Seiten über die Hammrichgebiete hörbaren Glockenklängen zu lauschen.
Esklums Glockengeschichte reicht bis in das 14. Jahrhundert zurück. Bis 1874 hing im Turm noch eine alte aus dem Jahre 1377 stammende Glocke des berühmten Gießers Shegebodus. Aus der noch überlieferten Inschrift gingen aber ortgeschichtlich bemerkenswerte Angaben nicht weiter hervor. Die Glocke wog, als sie 1874 durch die Logaer Glockengießerfirma A. van Bergen umgegossen werden sollte, 1544 Pfund. Esklum besaß bis 1686 noch eine zweite kleinere Glocke, die damals in Esklum umgegossen worden ist. Dreihundert Pfund Glockenmetall musste die Gemeinde zugeben. Aus der Inschrift war erkennbar, dass dieser Glockenguss zu Esklum durch „Carolus Spronneau und Hugo Weri“ erfolgte. Die damaligen Gemeindemitglieder haben also diesen seltenen Vorgang mit eigenen Augen beobachten können. Aus Glockengussverträgen wissen wir, dass die Gemeinden nicht nur Hilfskräfte, sondern auch notwendige Hilfsmaterialien zu stellen und zu liefern hatten, darunter viel Heizmaterial, Holz, Lehm und Wachs. Die Glockengrube wurde in der Nähe des Turms tief ausgehoben. Auch dazu waren Arbeitskräfte zu stellen.
Beim 1874 erfolgten Umguss der Shegebodus-Glocke von 1377 hatte die Gemeinde in bar knapp 317 Reichstaler zuzuzahlen. Die alte Glocke hatte 1544 Pfund, die neue 1461 Pfund Gewicht. Glocken aus dem Turm zu nehmen und sicher wieder aufzuhängen war gewiss ein schweres Stück Arbeit, die sichere Hände erforderte.
Zur Baugeschichte von Kirche und Turm wäre in diesem Zusammenhang gewiss manches nachzutragen.
Ältester Teil des Kirchbaus ist zweifellos der wuchtig ausgeführte Turm. Anschließende Schiffs und Chor haben zusammen eine Länge von 23 Meter und eine Breite von neun Meter. Der rundbogige Eingang an der Westseite des Turms ist der einzige. Im Mittelalter, aber auch wohl noch später gab es Seitentüren zum Kirchenschiff, die aber schon seit Jahrhunderten zugemauert sind. In vorreformatorischer Zeit hatten vielfach Frauen und Männer getrennte Eingänge. Vermutlich ist auch in der nachfolgenden Zeit noch eine getrennte Sitzordnung der Geschlechter beibehalten worden.
Wann die Esklumer Kirche erbaut wurde, ist nur vom Baufachmann zu schätzen. Inwieweit sich jene Angaben bestätigen, die das Esklumer Gotteshaus als das älteste im Overledinger Land bestimmen wollen, bleibt ungewiss. Dafür gibt es keine einwandfreien unkundlichen Nachrichten.
In den Seitenmauern sind noch Spuren hochangebrachter schmaler Fenster erkennbar, die etwa in die Zeit um 1300 verweisen, später aber durch breite Fenster im gotischen Stil ersetzt worden sind (nach Mitthoff). Ein Taufstein ist altersmäßig nur vom Fachmann zu schätzen.
In seinem hochinteressanten Werk „Vasa Sacra“ (heilige Geräte) hat Georg Müller-Jürgens, Oldenburg, 1960 auch die gottesdienstlichen Geräte der Esklumer Kirchengemeinde erwähnt und näher beschrieben. Es handelt sich um folgende Stücke:
1.) Kelch, inwendig vergoldet. Geschenkt 1875 von T.J. Elsen aus Heerenborg
2.) Kanne, reich versilbert, von Alfeind, inwendig vergoldet mit Teller von Alfeind, versil-
bert. Diese Altargeräte wurden aus dem Erlös eines alten Kelchs aus vergoldetem Silber,
gotisierender Form und einer steinernen Kanne angeschafft. Das ist 1875 geschehen. Die
Kanne trug auf silbernem Deckel die Inschrift des Namens Nielf Harms, Dykrichter. Im
Kircheninventar von 1858 fand die Kanne noch Erwähnung.
3.) Zinnernes Taufgefäß mit Inschrift Ao (Anno) 1830. Toen E. H. Mecima (1808/1857)
Predicant, J.A. de Beek, Schoolonderwyzer, H.E. Hohler (wohl Köhler) en P.J. Groneveld
Kerkvogden waren.
Kirchengeräte aus früheren Jahrhunderten sind also der Gemeinde nicht erhalten geblieben.
Im Spätmittelalter hat die Esklumer Kirche zweifellos noch ein farbenfrohes Bild geboten. Dafür fehlte in den Dorfkirchen aber ein Gestühl in der heutigen Vorstellung. Eine kurze Messe konnte auch stehend angehört werden. Für den Gottesdienst lag im Allgemeinen auf dem Altar das Messbuch, vor 1500 wohl kaum schon gedruckt, sondern von einem Klosterbruder in mühevoller Arbeit mit der Hand geschrieben. Diese Misale sind offenbar nach 1528, als alle Wertsachen aus den Kirchen geholt worden sind, mitgenommen worden. Besonders interessierten sich die Beauftragten des Landesfürsten für aus Edelmetall angefertigte Kelche und die Monstranzen, Geräte, die es in jeder Gemeinde gegeben haben wird.
Zu einer Orgel sind die kleinen Kirchengemeinden des Overledingerlandes teilweise erst im Verlauf des vorigen Jahrhunderts gekommen. Offenbar ist dafür kein besonderes Bedürfnis bestanden. Es war Aufgabe des Küsters, wohl richtiger des Schullehrers, zu Beginn des Gottesdienstes den ersten Vers des Gemeindegesangs vorzusingen. Einem neu in die Gemeinde gekommenen Pastor mochte das gewiss nicht immer behagen, denn der Gesang konnte ohne Orgel kaum ein besonderes Niveau erreichen.
Ältere Nachrichten über eine Orgel in Esklum liegen nicht vor. Nach Kaufmann: „Die Orgeln Ostfrieslands“ erscheint es auch ausgeschlossen, dass die kleine Orgel aus der Leerorter Festungskapelle nach 1744 nach Esklum gebracht worden ist. Die erste nachweisbare Orgel wurde 1854 bestellt und im nächsten Jahr fertig abgeliefert. Im Jahre 1921 musste sie einer Reparatur unterzogen werden.
Seit 1855 war es nun Sache des Lehrers in Esklum, auch den Organistendienst zu übernehmen. Den notwendigen Wind hatte ein Bälgetreter zu besorgen, indem lange Balken auf und ab bewegt wurden. Für die Gemeinde war es aber 1855 gewiss er erhebendes Gefühl, ihren Gesang von der neuen Orgel begleitet zu wissen. Wegen der Kanzel wird überliefert, dass diese aus der abgebrochenen Leerorter Burgkapelle stammen soll.
Interessant bleiben einige Merkmale am Turm der Kirche. Im Mauerwerk des Turms sind noch einige Schießscharten erkennbar. Hat die Esklumer Kirche mit ihrem Turm in mittelalterlichen oder auch späteren Tagen den Charakter einer Wehrkirche – etwa nach Butjadinger Muster – gehabt? Auch die Spuren einer Kaminanlage in der Ostmauer des Turms gaben schon früheren Zeitgenossen einige Rätsel auf. Über viele Fragen deckt sich der Mantel des Schweigens. Aus der lückenhaften urkundlichen Überlieferung sind einwandfreie Bilder des mittelalterlichen Esklums nicht zu gewinnen. Auch die jahrzehntelange Suche des Verfassers hat in dieser Beziehung kaum neue Erkenntnisse gebracht.
Jedem Besucher Esklums, der früher mit der Fähre über die Leda kam, konnte, wenn er das Fährhaus erreicht hatte, der schöne Blick auf die Kirche mit ihrem wuchtigen Turm nicht entgehen. Dieses Wahrzeichen aus mittelalterlichen Tagen hatte durch die Jahrhunderte unruhige Tage, viel Leid und Elend gesehen. Die Steine der alten Kirche können nicht reden. Würden sie es tun, dann würde uns gewiss ein Stück Ortsgeschichte übermittelt, dessen Inhalt heute von einem Schleier zugedeckt ist, der nur noch zu lüften wäre, wenn der Zufall doch noch einmal weiteres urkundlichen Material aus der Zeit vor 1500 ans Tageslicht ziehen würde. Einstweilen sind diese Möglichkeiten erschöpft. Auch der dritte Band zum Ostfriesischen Urkundenbuch hat uns nur noch eine Nachricht aus der Zeit um 1500 übermitteln können.