Zur Geschichte der Schule in Driever
Die Chronik einer kleinen Dorfschule spielt gewiß in einer Gemeindegeschichte keine überragende Rolle, denn Schulen sind in alter Zeit immer Stiefkinder der Interessenten gewesen, für die möglichst wenig Geld ausgegeben wurde. Akten, die sich mit ihnen befassen, enthalten aber fast immer interessantes Material zur Ortsgeschichte. Deshalb wird man nie an der Historie des Schulwesens vorbeigehen können.
Vorgänger der ältesten noch nachweisbaren Schulmeister in unseren Overledinger Gemeinden waren die Küster, Inhaber des niederen Küsterdienstes. Ohne Namensnennung treten sie oft in alten Viehregistern des 16. und 17. Jahrhunderts auf. Über ihre Tätigkeit erfahren wir lediglich, daß sie als Versänger im Gottesdienst auftraten, dem Pastor bei Amtshandlungen außerhalb des Gotteshauses – etwa bei Familienfeiern – zur Hand gingen, sich um das Läuten, die Versorgung der Kirche und die Ordnung auf dem Friedhof bemühten. Dafür wurden sie nur dürftig bezahlt, etwa mit kleinen Gebühren aus der Gemeinde und durch Bereitstellung einer Wohnung mit etwas Küsterland.
Diese einfachen Diener der Kirche waren vor 1650 gewiß noch nicht in der Lage, in den elementarsten Wissenschaften zu unterrichten. Nur notdürftig konnten sie ihre Scholaren in die Lese- und Schreibkunst einführen, damit wenigstens Bibelverse und Gesänge erlernt wurden. Die Rechenkunst beherrschten die meisten Küster und Schullehrer wohl kaum, so daß ein Unterricht in diesem Fach ausfiel. Dazu reichte das Wissen eines einfachen Küsters im 17. Jahrhundert nicht aus.
Die frühesten Nachrichten über einen Schulbetrieb in Driever reichen bis in den Anfang des 18. Jahrhunderts zurück. Es ist aber anzunehmen, daß bereits vor 1700 ein Schulbetrieb bestanden hat. Wer damals als Schulhalter fungierte, ist vom Verfasser nicht festzustellen gewesen.
Nach den Schulakten im Auricher Staatsarchiv (Rep. 139 u. Rep. 21 b / Driever) unterrichtete um 1737 der Schulmeister Wilken, der bekanntlich eine unruhige Versammlung der Bauernschaft in seiner Schulklasse erdulden mußte. Vielleicht hat er noch einigen Ärger mit der Gemeinde gehabt. Im Jahre 1742 war nämlich seine Schulstelle vakant, also unbesetzt. Die Gemeinde mußte zur Neuwahl eines Schulmeisters schreiten, die dann auf den Küster und Informator Schelte Luitjens fiel. Nicht einmal ein halbes Jahrzehnt ist dieser in Driever geblieben. Sein Nachfolger wurde 1747 der Schulmeister Henning. Dieser verzog aber schon 1750 nach Loga. Die Schulmeisterstelle zu Driever wurde dann mit Dirk Jaspers aus Mark besetzt. Bis zu seinem im Jahre 1788 erfolgten Ableben ist Jaspers in Driever tätig gewesen.
Jaspers war kein ausgebildeter Schulmeister. Noch im Jahre 1758 mußte er in Esklum – vielleicht beim dortigen Prediger – Privatunterricht nehmen. Die Befähigungsbescheinigung eines Predigers war ein wichtiges Dokument, mit dem ein Informator seine Befähigung für den Schuldienst nachweisen sollte. Viel konnte aber Jaspers von seiner Stelle in Driever nicht erwarten. Das Schulhaus befand sich in schlechter Verfassung. Selbst der Amtmann in Leer mußte seinen Vorgesetzten gegenüber erklären, daß Wohnung und Schulklasse in Driever zu den schlechtesten in seinem Verwaltungsbezirk gehörten.
Näheren Ausführungen in den Schulakten ist zu entnehmen, wie eng die Wohnverhältnisse gewesen sind. Eine Wohnküche mit Nebengelaß dienten als Unterkunft. Eine kleine Milchkammer war ebenfalls vorhanden. Im Stall war Platz für vier Kühe. In nächster Nähe befand sich der Eingang zur kleinen Schulklasse. Dieser Unterrichtsraum hatte eine niedrige Decke. Ein großer Mann konnte darin kaum aufrecht stehen.
Nach Angaben der Schulakten muß Jaspers ein passionierter Landwirt gewesen sein. Zum Küsterland pachtete er sogar noch weitere Grundstücke zu und hat sich so wohl Möglichkeiten eröffnet, eine bessere Existenzgrundlage zu schaffen, die ihm ohne Viehhaltung gewiß nicht geboten werden konnte. Aber trotzdem blieb Jaspers Amtszeit nicht ohne Sorgen und Kummer. So hatte er Grund zur Klage über die Einwohner im benachbarten Muhde, nämlich Helmer Boelsen, Ottje Boekhoff, Jann Hinrichs und Meinert Beenen. Diese Personen bemühten sich nämlich, die Genehmigung zur Errichtung einer kleinen Nebenschule für ihre Kinder zu erhalten. Offenbar hatte in Muhde bereits in den voraufgegangenen Wintern ein Unterricht stattgefunden. Die Schülerzahl betrug acht bis neun.
Gegen den Muhder Schulbetrieb protestierte nun Jaspers 1779 mit Nachdruck. Aber er hatte keinen Erfolg, denn die Muhder Einwohner konnten nachweisen, daß im Winter für Kinder kaum eine Möglichkeit bestand, zu Fuß nach Driever zu kommen. Den Beamten in Leer waren solche Schwierigkeiten gewiß sattsam bekannt.
Im Verlauf des 18. Jahrhunderts sind in Driever keine durchgreifenden Maßnahmen zur Verbesserung des Schulhauses ins Werk gesetzt worden. Es blieb bei gelegentlichen Ausbesserungen. Im Jahre 1827 wurde ernsthaft ins Auge gefaßt, einen neuen Schulbau zu errichten. Dieser war dringend notwendig, denn noch immer wurden in der sechs Meter langen und etwa vier Meter breiten Schulstube direkt zum Viehstall bis zu 47 Kinder unterrichtet. Im Winter ließ sich der Klassenraum nur notdürftig erwärmen. Er hatte nicht einmal einen hölzernen Fußboden aufzuweisen. Die Gemeinde sah ein, daß im Interesse der Kinder dieser Zustand immer unhaltbarer wurde. Die Verantwortlichen kamen zu dem Schluß, den Neubau im nahen Schulgarten zu errichten, und zwar so, daß notfalls bis zu sechzig Kinder in der Schulklasse Platz finden konnten. Dabei mochte der damalige Lehrer Andreesen auf einige Hoffnung haben, eine größere Wohnung zu bekommen, außerdem auch mehr Raum für sein vieh und die Fruchtvorräte. Er hielt sich nämlich fünf bis sechs Kühe. In Bewirtschaftung waren rund zwölf Hektar Land. Man muß sich deshalb fragen, ob er im Hauptberuf Lehrer oder Landwirt gewesen ist.
Nach einem alten Schulinventar von 1857 ist der geplante Schulneubau erst 1847 zur Ausführung gekommen. Schwierigkeiten hatte es offenbar in der Zwischenzeit mit der Amtsbehörde gegeben, die einen Schulnaubau auf dem von der Witwe Groeneveld angekauften Bauplatz untersagte.
Ein Nachfolger des Lehrers Andreessen war der Lehrer Frey, der 1857 Erwähnung findet. An Schulgeld bezog er jährlich 64 Reichstaler. Sein Gesamteinkommen im Jahr unter Einrechnung der Landnutzungen wurde damals mit etwa 265 Reichstaler beziffert. Das war um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ein Ertrag, der wohl dem einer mittleren Kirchspielschule entsprach.
Das Schulgeld wurde unterschiedlich berechnet, und zwar getrennt für Lese- und Schreibunterricht. Die „Rechner“ zahlten in der Woche mit zweieinviertel Stüber den höchsten Schuldgeldsatz. Daß Eltern bestimmen konnten, ob ihre Sprößlinge Schreiber, Leser oder Rechner waren oder auch in allen drei Fächern Unterricht erhielten, das war zweifellos ein alter Zopf aus älteren schulmeisterlichen Tagen. Zu den Grundfächern gehörte selbstverständlich ein Religionsunterricht, der Pflichtfach gewesen ist.
Mehrere Menschenalter liegt diese Zeit heute zurück. Im Ausgang des vorigen Jahrhunderts wurde die Stellung eines Lehrers grundlegend verbessert. Er erhielt eine bessere Besoldung, die teilweise aus der örtlichen Schulkasse, zum anderen Teil von der Kreiskasse in Leer gezahlt worden ist. Auch das wurde später in unserem Jahrhundert noch geändert. Für einen Lehrer war es um die Jahrhundertwende gewiß nicht angenehm, sich seinen vierteljährlichen Besoldungsanspruch vom Schulvorsteher ausbitten zu müssen.
Das alte Schulhaus in Driever, in dem noch vor Jahrzehnten die Dorfjugend ihren Unterricht erhielt, hat seine Tore längst geschlossen. Das Schulwesen in der Großgemeinde Westoverledingen ist jetzt weitgehendst zentralisiert. Nur in der älteren und mittleren Generation erinnert man sich noch jener Jahre, in denen die schulpflichtige Jugend das Portal der kleinen Schule betrat. Vergessen sind aber auch noch nicht die alten Lehrer unseres Jahrhunderts, die wenigstens viel getan haben, der heranwachsenden Jugend ein gutes Rüstzeug fürs Leben mitzugeben.