Drei Artikel der Ostfriesen-Zeitung über die alte Esklumer Fähre, die mit freundlicher Genehmigung des Verlages veröffentlicht werden, können auf dieser Seite gelesen werden.

Die Esklumer Fähre

Jahrhunderte lang bestand diese Fährverbindung, bevor in den 1960er Jahren mit dem Bau der Ledabrücke der Fährbetrieb eingestellt wurde. 

Ostfriesen-Zeitung, den 6. August 2002

Die Pünte fährt nicht mehr

Lokomobile und Esel im Tarifverzeichnis / Durch Brückenbau lohnte der Betrieb nicht mehr

Esklum / Leer. Die Pünte der Esklumer Fähre hat ihre letzte Fahrt über die Leda zwischen Esklum und Leerort gemacht. Das Wasser- und Schifffahrtsamt hat diese letzte große Ledafähre aus dem Verkehr gezogen, weil sich der Betrieb nicht mehr lohnte. Jetzt verkehrt nur noch ein Ruderboot zur Personenbeförderung zwischen den beiden Orten.

Die Chronik berichtet, dass etwa im 17. Jahrhundert die Fähre einen gewaltigen Durchgangsverkehr zu bewältigen hatte. Hinzu kamen die Einwohner des Overledingerlandes, die nach Leer wollten. – Damals gab es auch die Brücke der B 70 übe die Leda noch nicht. – Heute benutzen nur noch eine Anzahl Schulkinder und Arbeiter die Fähre, hin und wieder taucht ein Fahrgast auf, der nach Leer zum Einkauf oder nach Esklum zum Bekanntenbesuch möchte. Die große Pünte, die acht Tonnen tragen kann, wurde nur noch von verirrten Sommerfrischlern, die von der Existenz einer Brücke nichts wussten oder von einem Landwirt, der noch kein Auto besaß, benutzt.

Die glanzvollen Zeiten sind vorbei: Zum Gallimarkt stauen sich die Fahrzeuge nicht mehr auf dem Deich an der Esklumer Fähre, sondern sie gelangen reibungslos über die Brücke der B 70 nach Leer. Bedauern werden all jene das Fehlen der großen Fähre, die zu später Nachtstunde nach vergnüglichem Gallimarktfeiern mit ihren Krafträdern oder anderen motorisierten Gefährten noch schnell mit der Fähre übersetzen konnten, denn aus Anlass dieses großen Ereignisses war extra ein Nachtdienst eingerichtet worden.

Die Geschichte der einst viel benutzten Pünte ist zu Ende, nicht jedoch die der kleinen Personenfähre. Sie wird weiterhin zwischen Esklum und Leer und zurück verkehren. Vom „Ruhm“ der großen Schwester werden nur noch die beiden Seiten ins Wasser führenden Rampen für die Fahrzeuge künden.

Etwas Romantik hängt dieser Fähre noch an. Eine Fahrt mit dem schwankenden Ruderboot über die Leda, deren Ufer hier ein malerisches Bild abgeben, oder der Anblick eines Pferdegespanns auf der flachen Pünte können, an die Vergangenheit denken lassen, in der man von Motoren noch nichts gehört hat. Fährmeister und Fährführer befördern ihre Last wie eh und je mit Muskelkraft.

Die „Staatliche Fähre Esklum“, die dem Wasser- und Schifffahrtsamt unterstellt ist, hat noch andere Eigenheiten, die es nur selten noch einmal geben dürfte. In dem Tarifverzeichnis, das in einem Schaukasten am Deich ausgehängt ist, gibt es die ersten Überraschungen: Kinder bis zu zehn Jahren bezahlen für die Überfahrt die Kleinigkeit von drei Pfennigen, ab zehn Jahren kostet es fünf Pfennige. Eine Wochenkarte für „Schüler, Lehrburschen und Lehrmädchen“ ist für ganze 30 Pfennig zu erstehen. Für den Transport von Groß- und Kleinvieh ist beim Fährmann der Preis von zehn bzw. 20 Pfennig zu entrichten, für Fuhrwerke und Fahrzeuge je nach Größe zwischen 45 Pfennigen und einer Mark. Ein besonderer Vermerk auf dem Tarifverzeichnis weist darauf hin, dass bei Eisgang für eine nächtliche Fahrt der doppelte Preis zu entrichten ist.

In dem Tarifverzeichnis ist vom Kinderwagen bis zum Lastwagen alles vorhanden, sogar von Hunden gezogene Wagen wurden für den Preis von zehn Pfennigen befördert. Selbst der Besitzer eines Lokomobils oder einer Dampfmaschine brauchte nicht umzukehren. Allerdings wird der Fährmann seit geraumer Zeit keine Gelegenheit mehr gehabt haben, Maschinen dieser Art überzusetzen, ebenso wenig wie Maultiere oder Esel. Die Beförderungspreise der größeren Maschinen richteten sich je nach Gewicht bis zu 2,50 Mark. Das Gewicht einer Maschine zu schätzen, war dabei dem Fährmann überlassen.

Eine Vergünstigung haben allerdings die Einwohner Esklums und der näheren Umgebung: sie entrichten einmal im Jahr einen geringen „Fährschatz“ und können sich dafür so oft sie wollen übersetzen lassen. Zur Zeit besorgen das Übersetzen übe die Leda der Fährmeister Oltmann Gerdes und dessen Neffe, der Fährführer Johann Gerdes. Schon der Großvater von Johann Gerdes, Friedrich Gerdes, hat vor vielen Jahren an dieser Stelle den Fährdienst besorgt.

Mit dem Verschwinden der Pünte wird es auch für Johann Gerdes hier keine Arbeit mehr geben. Die Personenfähre wird weiter sein Onkel im „Einmann-Betrieb betreiben. Was mit der Pünte geschieht, steht nach Auskunft des Wasser- und Schifffahrtsamtes noch nicht fest. Sie wird vorerst einen längeren „Urlaub“ antreten.

 

Veränderungen im Fährbetrieb

Esklum. Die Fähre Esklum wird nur noch als Personenfähre betrieben. An Sonn- und Feiertagen ruht der Verkehr. Vom Montag bis Freitag verkehrt die Fähre von 7.15 Uhr bis 10.45 Uhr und 12.30 Uhr bis 17.00 Uhr, an Sonnabenden von 7.15 Uhr bis 9.15 Uhr und von 12.00 Uhr bis 14.00 Uhr.    

Leerer Nachrichten, den 3. Juli 1965

Zum letzten Mal "Hol over!"

Keine Verbindung mehr über die Leda bei Esklum

Aufn.: Köhn

Nun verkehrt auch das Boot für den Personentransport an der alten Fährstelle zwischen Esklum und Leer nicht mehr. Wie bereits berichtet, wurde mit Wirkung vom 1. April der Fährverkehr endgültig eingestellt. Zur letzten Fahrt am Donnerstag waren zu Fährmann Ollig Gerdes vom Wasser- und Schifffahrtsamt meister Reinders, Inspektor Stern, Personalrat Jan van Deest und M. van Deest ins Boot gestiegen. Am Esklumufer verabschiedeten Oberregierungsbaurat Mügge und Oberinspektor Pahling den Fährmeister, der fortan auf dem Bauhof des Wasser- und Schifffahrtsamtes seinen Dienst versehen wird.

 Ostfriesen-Zeitiung, den 2. April 1966

 

Durch "canonieren totaliter ruiniret"

Aus der Geschichte der Esklumer Fähre im 17. und 18. Jarhhundert

Im Spätmittelalter befand sich noch eine Ledafähe bei Kloster Muhde. Aus Sicherheitsgründen für die Festung Leer soll sie dann der Überlieferung nach in das Kirchspiel Esklum verlegt worden sein. In Muhde wohnte noch 1598 ein Eggerink Fehr als Landwirt. Vielleicht steht sein im Viehregister vermerkter Beiname noch im Zusammenhang mit der hier einmal existierenden Fähre.

Die Esklumer Fähranstalt befand sich im 17. Jahrhundert im Besitz der Landesherrschaft. Evert Janssen zahlte für sie 1650 eine Pacht von 70 Taler. Nach der Höhe dieses Beitrages muss der Fährverkehr in jener Zeit erheblich gewesen sein. Über Esklum kamen nicht nur die Einwohner aus dem Overledingerland nach Leer, sondern die Fähre hatte auch den großen Durchgangsverkehr zu bewältigen.

In der ostfriesischen Fürstenzeit machten sich in der Leda starke Anlandungen (Schlickbände?), besonders an der Leerer Seite, bemerkbar, die den Fährverkehr sehr behinderten. Sieben Einwohner aus Esklum beschwerten sich 1718 über diese Zustände beim Amt. In der Benutzung der Fähre kamen nach der damaligen Darstellung große Schwierigkeiten auf. Personen und Viehtransporte konnten kaum noch übergesetzt werden. Eine vorläufige Lösung dieses Problems wurde in der Anlage eines großen Fährstegs gesehen. Die Auricher Behörde sah auch ein, dass Wandel geschaffen werden musste. Das Leerorter Amt wurde mit der Durchführung  entsprechender Maßnahmen beauftragt. Ein Zimmermann, Cornelius Oltmanns, gab eine Offerte in Höhe von 231 Gulden ab. Aber die Ausführung des Vorhabens kam nicht zum Zuge. Im Jahre 1722 kamen nochmals Beschwerden aus Driever und Esklum. Auch der derzeitige Fährpächter Harmen Dirks erhob dringende Vorstellung. Er hatte nämlich das „Fehr gahr theuer eingeheuert“ und stand nun vor der Tatsache, dass kaum noch ein Betrieb aufrechterhalten werden konnte. Verärgert über die misslichen Zustände gab er die Pachtung schließlich auf. Zu seinen Nachfolgern gehörte der in den Jahren 1726/27 nachweisbare Roelf Lammers. Letzterer hatte die Fähre in einer wahrhaft unruhigen Zeit übernommen. Im sog. „Appelkrieg“ standen sich Stände und Landesheer schließlich im offenen Kampf gegenüber. In einem Treffen in Leer – der Flecken hielt zur Partei der Renitenten – kam es 1725 fast zu Straßenschlachten. Diese Auseinandersetzungen scheinen sich auch in der Nähe von Esklum abgespielt zu haben. Das dortige Fährhaus wurde durch Kanonenschüsse – zweifellos von der Leerer Seite aus – arg beschädigt.

Der Fährpächter Lammers sucht nachträglich diese Ereignisse zu seinen Gunsten auszulegen. Er beantragte bei der fürstlichen Behörde Stundung der fälligen Pachten, denn die „rebellischen Communen“ hätten sich mit Gewalt seiner Fähre bemächtigt und diese (ohne Bezahlung) benutzt. In den Vordergrund schiebt er auch die großen Ausgaben zur Wiederherstellung des Fährhauses. Er sei ein getreuer und devoter Untertan gewesen. Dieses unterwürfige Bekenntnis machte allerdings auf die zuständigen Behörden keinen Eindruck. Man forderte die Pacht und drohte im Nichtzahlungsfall mit der Zwangsvollstreckung. Im Jahre 1728 wird vermerkt, dass Lammers seine Pachtrückstände bezahlt habe.

Gewiss bilden diese kurzen Schilderungen aus der jahrhundertelangen Geschichte der alten Fähre, über deren Vergangenheit man gewiss eine längere Abhandlung schreiben könnte, nur einen Ausschnitt aus ihrer Chronik, die mit interessanten und bewegten Ereignissen reichlich angefüllt sein dürfte. Im Verkehrsleben vergangener Jahrhunderte hat sie eine bemerkenswerte Rolle gespielt, und wenn sie bis heute stehen blieb, dann ist uns auch ein Stück heimatlichen Lebens erhalten worden, das eine reiche Tradition aufzuweisen hat.

Wilhelm Korte

Ostfriesen-Zeitung, 14. Februar 1961