Eine Bauernversammlung im alten Driever um 1737

Im Overledingerland der ostfriesischen Fürstenzeiten hatten die Bauerngemeinden noch den Status von Realgemeinden, in welchen die Mitgliedschaft – was Rechte und Pflichten betraf – in erster Linie den Herdbesitzern zustand. Es gab auch Orststatuten in Form von Bauernrollen, die bestimmte Gewohnheitsrechte festlegten. Diese konnten in den einzelnen Kirchspielen und Bauernschaften recht unterschiedlich ausfallen. Sie waren auf jeden Fall der ortsüblichen Praxis anzupaßt.

 

Grundlagen dafür boten die alten Bauernrollen. Daß diese schriftlichen Aufzeichnungen aber oft verlorengingen, war kein Unglück. Im Laufe der Jahrhunderte hatten sich die geltenden Bestimmungen in den einzelnen Familien so eingebürgert, daß es kaum Unklarheiten geben konnte.

 

Die Bauernschaftsgemeinden wählten sich einen Bauernrichter, dessen Amt aber häufiger wechselte. Die Befugnisse eines amtierenden Bauernvorstehers waren oft sehr weitgehend. Er wachte über den Zustand der Gemeindewege, Brücken und Stege, forderte von den Genossen der Bauerschaft notfalls die Hand- und Spanndienste zur Instandsetzung und führte schließlich die Aufsicht über etwaige der Bauerschaft eigentümlich zustehende Weidegründe und deren Nutzung. Der Bauernrichter berief die Kirchspiels- und Bauernversammlungen, in denen jeder Berechtigte mitstimmen durfte. Weiter wurden in den Versammlungen die notwendigen Jahresrechnungen vorgelegt. Um diese internen Dinge der bäuerlichen Gemeinschaften haben sich die Landesbehörden kaum gekümmert. Nur wenn es Streitigkeiten gab, wurde das Amt eingeschaltet. Beliebt wr dieser Weg aber nicht. Streitigkeiten suchte der Bauernrichter intern zu regeln. Wenn er Geldstrafen (Brüche) verhängte, wurde vielleicht unwillig gezahlt. Die Amtsbehörde unnötig in Anspruch zu nehmen, das passte wohl kaum ins Konzept einer Bauernschaftsgemeinde. Man hatte mit den Behörden schon Ärger genug und ließ diese höchst ungern Einblick in interne Angelegenheiten der Bauernschaft nehmen.

 

Aus einem Beschwerdeschreiben des Schulmeisters Wilken zu Driever vom Jahre 1737 erfahren wir etwas über eine im voraufgegangenen Winter in der Schule stattgefundenen Bauerschaftsversammlung. Diese hatte der damalige Bauernrichter Reent Aykes einberufen, um die Verpachtung des Heuweges und der „Rüschen“ gegen Meistgebot durchzuführen. Diese Grundstücke befanden sich nämlich im Besitz der Bauerschaft. Um die Gemüter ein wenig anzuregen, ließ der Bauernrichter eine halbe Tonne Bier (etwa 75 Liter) in die Schulklasse bringen. Ruhig ging es dabei nicht zu. Es wurde allerhand „Narrenpussen“ getrieben. Der starke Tabaksqualm aus vielen Pfeifen muß sogar in die Wohnküche des Schulmeisters gedrungen sein. Mit Schrecken machte dieser an eine Wiederholung bei späteren Gelegenheiten denken. Um dem abzuwenden, schrieb er einen Klagebrief an die Amtsbehörde in Leer, den ergewiß persönlich abgegeben hat. Die Beamten waren verständig genug, ihre Nachforschungen vorsichtig anzustellen, um den armen Schulmeister nicht in Ungelegenheiten zu bringen. Die delikate Aufgabe der Ermittlungen erhielt der zuständige Vogt Bruns übertragen. Dieser muß geschickt vorgegangen sein. Er berichtete seinem Vorgesetzten genau, was sich im vorausgegangenen Winter in der Schule zugetragen hatte. Als der Bericht des Vogts vorlag, erließ der Amtmann eine Anordnung des Inhalts, daß künftig keine Bauernverhandlungen mehr in der Schule sattfinden dürften. Diese wären künftig in die Wirtsstube des „Zapfers“ Detert Tebben zu verlegen. Lakonisch wird bemerkt, dann brauchte ja auch das Bierfaß nicht mehr in die Schuleklasse geschafft zu werden.

 

Ob der Schulmeister Wilken dann Ruhe vor Belästigungen durch Gemeindeversammlungen unter seinem Dach gehabt hat, das sei dahingestellt. Schon 1742 war er nicht mehr in Driever  tätig.